Eine Liebeserklärung an die Elektromobilität

Bild: (BY-SA) Ulrich Steinlechner

Thomas Blechschmidt, Koordinator der AG Energiepolitik, ist so gar nicht einverstanden mit dem Fazit, das unser aktueller Artikel zum Thema Elektromobilität zieht. Er hat den Text aus seiner Sicht noch einmal geschrieben und kommt zu einem anderen Schluss: Nicht die Batterieentwicklung muss gefördert werden, sondern elektrisch fahren muss unkomplizierter werden. Wir freuen uns über die Diskussion und veröffentlichen Thomas’ Version in der Reihe Piraten bloggen.

Elektromobilität – Konkurrenz für den ÖPNV auf der Busspur?

Eine Million Elektroautos sollen bis 2020 über unsere Straßen rollen – so die Ankündigung der Bundesregierung. 15.000 davon haben es bisher auf die Straße geschafft. Das sind sagenhafte 1,5% des Zielwertes bei aktuell 0,3% Anteil an den Neuzulassungen. Die Ankündigung von Kanzlerin Merkel erweist sich also als ebenso vollmundig wie ihre Ankündigungen zur Senkung des CO2-Ausstoßes.

Hier herrscht offenbar Nachholbedarf und das scheint nun auch der Bundesregierung irgendwie aufgefallen zu sein. Folglich hat sie im Bundeskabinett den Entwurf für ein Elektromobilitätsgesetz beschlossen. Dieser kommt – wenig überraschend – aus dem Umweltressort. Allerdings ist auch der ›Minister für digitale Feldwege und Ausländermaut‹, Alexander Dobrindt, einer der Initiatoren der Vorlage. Und das Bundesministerium für Verkehr hat sehr große Zufahrten und Türen für sehr große Autos mit sehr großen Verbrennungsmotoren.

Die Zuständigkeit wird in §3 (4) des Gesetzentwurfs dem Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Dobrindt) in Absprache mit der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hendricks) zugesprochen.

Angeblich sollen Elektroautos den Käufern schmackhaft gemacht werden, indem sie im Straßenverkehr bevorzugt werden. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Wäre da nicht die Tatsache, dass einige der vorgeschlagenen Maßnahmen an Absurdität kaum zu überbieten sind, bzw. sowieso schon im Ermessensspielraum der Kommunen liegen.

  • reservierte Sonderparkplätze vor Ladesäulen
  • kostenlose Parkplätze
  • geringere Zufahrtsbeschränkungen
  • Sondernutzungsrechte
  • besondere Kennzeichnung

Beinahe all das nutze ich allerdings schon längst. Als Koordinator der AG Energiepolitik und Energiebeauftragter des Landesverbandes Bayern der Piratenpartei rede ich nämlich nicht nur über Elektromobilität, sondern fahre selbstverständlich auch selbst ein rein elektrisch betriebenes Serienfahrzeug. Die Bilanz nach 15 Monaten und 34.000 Kilometern fällt äußerst positiv aus. Ich nutze das Fahrzeug beruflich. Das rechnet sich perfekt. Die Sondernutzung von Busspuren wurde indessen von der Mehrheit deutscher Großstädte bereits abgelehnt. Im Ernst: Das einzige Neue, was die beiden Ministerien wirklich auf den Tisch legen, sind die besonderen Kennzeichnungen für Elektroautos. Alles andere können Kommunen schon seit jeher selbst bestimmen und sie brauchen dafür sicher keine Erinnerung von der CSU.

Elektromobile Inkonsequenz

Es lohnt sich auch, einen Blick darauf zu werfen, wer denn eigentlich alles von diesen ›Erleichterungen‹ profitieren soll. Hier wird schnell deutlich, dass es nicht nur um reine Elektroautos geht, sondern auch die sogenannten ›Hybridantriebe‹ eingeschlossen sind. Also auch Fahrzeuge, die gerade mal 40 km rein elektrisch fahren können, ansonsten aber munter CO2 in die Luft pusten. Wenigstens ist der CO2-Ausstoß im Gesetzesentwurf auf 50 g/km begrenzt, so dass beispielsweise der Porsche Cayenne Hybrid mit 79 g/km nicht in den Genuss der Privilegien käme.

Dass dies im Sinne eines nachhaltig ökologischen Verkehrskonzeptes inkonsequent ist, dürfte jedem einleuchten. Zudem haben wir es mit einem Gesetzentwurf zu tun. Die Lobbyarbeit daran steht erst noch an, so dass weitere Verschlimmbesserungen zu erwarten sind. Konsequent dagegen wäre es, reine Elektrofahrzeuge zu fördern und möglicherweise zusätzlich noch Brennstoffzellenfahrzeuge einzubeziehen.

Absurd wird es allerdings, wenn man sich den zweiten konkreten Vorschlag anschaut. Dieser sieht nämlich vor, dass Elektroautos nunmehr auch die Busspur benutzen können. Es ist natürlich ungemein hilfreich, wenn dem jetzt schon im Stau steckenden Nahverkehr die letzte Möglichkeit genommen wird, zügig voranzukommen. Zu Beginn der Maßnahme ist aufgrund der geringen Zahl an Elektrofahrzeugen natürlich keine große Belastung zu erwarten. Die Laufzeit der Privilegierung bis 2030 beinhaltet aber nahezu dreimal den vollen Austausch des gesamten deutschen PKW-Fuhrparks. Deshalb ist eine Privilegierung bis maximal 2021 dringend angezeigt.

Der Gesetzentwurf ist überdies Gift für ›Park&Ride‹-Konzepte. Klüger wäre es, die P&R-Parkplätze rund um und in den Ballungsgebieten mit deutlich mehr Ladesäulen auszubauen. Sonst ruiniert das Gesetz nachhaltige und ökologische Verkehrskonzepte, statt sie zu fördern.

Der Markt für Elektrofahrzeuge ist vorhanden. Die Kunden warten schon. Es fehlt allerdings an Infrastruktur. Die Batteriekapazität der erhältlichen E-Fahrzeuge genügt für 90% der Alltagsanwendungen: 80% der täglichen Strecken liegen unter 49 km, 90% unter 68 km. Aber es fehlt an Ladesäulen, besonders an P&R-Plätzen, Großparkplätzen, Parkhäusern und speziell an diskriminierungsfrei zugänglichen Schnellladesäulen an neuralgischen Orten wie Schnellrestaurants, Fachmarktzentren, Autobahnraststätten oder Taxiständen. Es gibt derzeit ca. 5.600 öffentlich zugängliche Ladesäulen für PKW, aber 42 Millionen zugelassene PKW. Elektrofahrzeuge sind bereits heute vollständig alltagstauglich für Menschen, die automobile Fortbewegung auf öffentlichen Straßen nicht als privaten Wettbewerb verstehen, bei dem es darum geht, als Erster irgendwo hinzukommen. Die vermeintliche Exklusivität des Tesla Model S wird durch die Tatsache relativiert, dass der komplette Strom im Kaufpreis inbegriffen ist, sofern bei Tesla getankt wird. Der Tesla rechnet sich damit bestens für nahezu den gesamten Außendienst, der für unsere Unternehmen auf unseren Straßen unterwegs ist. Das Superchargernetz von Tesla ist bereits spürbar vorhanden und wird noch dieses Jahr deutlich besser. Besonders fortschrittlich ist der Mitsubishi i-MiEV – jetzt Electric Vehicle –, der als erstes Serienfahrzeug in beide Richtungen bidirektional laden kann: 12 kWh Strom stehen für Fahren oder für anderweitige Nutzung zur Verfügung. Damit kann man Strom von der Ladesäule holen und etwa auf einer Baustelle nutzen.

Und genau bei dieser Infrastruktur müsste man nun ansetzen. Ernst gemeinte und kluge Förderung von Elektromobilität wäre:

  • Jedem Elektrofahrzeugkäufer z.B. 7.000 Euro Zuschussgutschein, wenn er dafür einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt (keinen Schnelllader) errichtet, auch wenn dieser vor seiner Haustür ist. Und er soll das Recht haben, den Zuschussgutschein frei zu verkaufen, z.B. an einen Parkhausbetreiber.
  • Übernahme der Stromkosten für Elektrofahrzeugnutzer bis 2030 durch den Staat oder eine Preisbegrenzung auf die Höhe der EEG-Umlage für PV-Strom.
  • Roamingzwang für Säulenbetreiber, so wie bereits heute für das restliche Stromnetz: Ich tanke beim Stromanbieter meines Vertrauens z.B. umweltfreundlich gewonnenen Solarstrom, auch wenn der Betreiber der Ladesäule unverantwortlicherweise weiter auf Kohleverstromung setzt.
  • Kostenfreie Nutzung des ÖPNV bei Parken auf einem P&R-Parkplatz, um den Verkehr aus den Zentren draußen zu halten.
  • Jede Gemeinde muss bis 2018 mindestens eine Elektrosäule anbieten.
  • Günstige Finanzierungsdarlehen über die KfW für Privatleute.

Dann käme der Anreiz der Prämie jedem Elektronauten gleichermaßen zugute und wäre nicht ein Geschenk, das mit dem Kaufpreis des Fahrzeugs wächst, wie z.B. die Mehrwertsteuerbefreiung für Neu-Elektrofahrzeuge in Norwegen.

Doch genau an diesem Punkt versagt die Bundesregierung.

Elektromobilität fördern – nicht die Industrie

Für die potentiellen Käufer von Elektrofahrzeugen tut die Bundesregierung nichts. Alle Statements dazu sind leere Worte, denen keinen echten Taten folgen. Diese Regierung wirkt wie ein Marionettentheater. Lediglich Batterien werden gefördert. Die stärksten Batterien weltweit werden in Deutschland (nämlich von AKASOL in Darmstadt) produziert, allerdings noch in homöopathischen Dosen. Ein Konkurrenzunternehmen soll in Ulm gebaut werden. Dieses soll dann die technisch am weitesten entwickelten, in den USA von und für Tesla produzierten, Batterien übertreffen. Nur baut Tesla seine Batterien ganz ohne Förderung. Die Förderung bestimmter Komponenten und von Infrastruktur ist nur Alimentierung einiger Industriekonzerne. Die Batterieforschung benötigt keine Förderung mehr, da bereits die relativ teuren AKASOL-Batterien in zunehmender Zahl gefertigt werden, die Preise fallen und die Nachfrage steigt allein wegen der eingetretenen Wirtschaftlichkeit für stationäre Anwendungen in Gewerbe und Industrie.

Wenn etwas gefördert werden sollte, dann alles, was Elektromobilität nutzerfreundlich, einfach zu handhaben, berechenbar, finanzierbar und liebenswert macht. Die Komponenten und Fahrzeuge sind längst da und werden eingesetzt, z.B. 130.000 Nissan LEAF, 30.000 Tesla Model S und 35.000 E-Fahrzeuge von Renault. Diese Hersteller werden von ganz allein besser und besser, weil sie bereits im Segment etabliert sind und weil sie haben, was der stolzen deutschen Automobilindustrie und der Bundesregierung fehlt: den Willen.

Wenn Du bei energiepolitischen Themen mitarbeiten möchtest, bist Du herzlich eingeladen, uns in einer Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Energiepolitik zu besuchen – egal ob Du Pirat bist oder nicht. Auf der Homepage der AG findest Du Informationen über Ort und Zeit der nächsten Treffen.

 

Beitrag erschienen auf der Bundes-Website

 


Schreibe einen Kommentar

Weitere Kommentare sind eventuell auf der Website zu finden, die den Artikel ursprünglich veröffentlicht hat.

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht öffentlich angezeigt. Verbindlich einzugebende Felder werden mit diesem Zeichen kenntlich gemacht: *