Dresden: Sicherheit oder Meinungsfreiheit?

(CC-BY) Kalispera Dell@panoramio

Ein Kommentar von Schrödinger erschienen auf der Bundes-Website.

Dazu wurde viel gesagt seit gestern und auch die Piraten stehen dem Verbot kritisch gegenüber. Durch das Verbot wird überdies rechtspopulistischen Kräften ein Scheinargument in die Hände gespielt. Und mir klingeln schon die Forderungen der vorgeblich “konservativen” Innenpolitiker in den Ohren, die zwar nicht unbedingt gleich irgendwelche “Ausländer” rausschmeißen wollen, aber doch weitere Überwachungsmaßnahmen oder Grundrechtseinschränkungen gegen uns alle fordern werden. Das “konservativ” oben habe ich übrigens absichtlich in Anführungszeichen gesetzt, denn genau diese Politiker wollen ja eben nicht die freiheitliche Gesellschaftsordnung erhalten, also “konservieren”, sondern sie arbeiten direkt gegen diese Werte. Statt zu fragen:

“Wie konnte es so weit kommen, dass sich junge Muslime radikalisieren, sei es hier oder anderswo? Was können wir tun, damit dieser Radikalisierung der Boden entzogen wird?”,

doktern sie unbeholfen am Symptom herum und bringen dabei das gesamte Schiff in Schlagseite. Sie sagen uns: “Wir müssen das tun, weil die Demokratie bedroht ist” – und machen sich damit zum Handlanger der Terroristen. So bedrohen sie die Demokratie mehr, als es ein paar Fanatiker je könnten.

So weit, so traurig. Die öffentliche Diskussion vernachlässigt jedoch einen weiteren Aspekt. Denn alleine, dass es diese Diskussion gibt, zeigt doch, wie es mit der Innenpolitik zur Zeit bestellt ist: Die Bürger vertrauen den Behörden nicht mehr! Und dies ganz offensichtlich nicht ohne Grund, wie uns die Affäre um die NSU-Morde schmerzhaft vor Augen führt. Dass sich die Behörden auf irgendwelche nicht näher bestimmbaren “ausländischen Geheimdienste” als Quelle beziehen, bei denen man besser nicht genauer nachfragt, woher die Informationen denn kommen mögen, macht die Sache nicht besser. Ist es nicht traurig, dass es jetzt so weit gekommen ist, dass viele sich fragen, welche Agenda man in Dresden gerade fährt? Auch um genau solche Zweifel bereits im Ansatz zu verhindern, setzen sich die Piraten für mehr Transparenz ein, die mehr Vertrauen zwischen Bürgern und Staat schafft. Oder überhaupt erstmal wieder welches.


Kommentare

6 Kommentare zu Dresden: Sicherheit oder Meinungsfreiheit?

  1. Otla schrieb am

    “Auch um genau solche Zweifel bereits im Ansatz zu verhindern, setzen sich die Piraten für mehr Transparenz ein, die mehr Vertrauen zwischen Bürgern und Staat schafft. Oder überhaupt erstmal wieder welches.”

    Das ist Laber.
    Bitte konkret: was genau soll geschehen, jetzt, in dieser Situation?

    • Dirk schrieb am

      Das ist tatsächlich eine sehr gute Frage. Ich muss Dir sagen: Ich weiß es nicht. Wäre in der Koalition irgendeine Form von Selbstreflexion zu erkennen, dass sie und ähnlich handelnde Regierungen viel des momentan tatsächlich akuten Problems selbst hervorgerufen haben – durch Waffenlieferungen an Unterdrückungsregime, Bombardierungen auswärts, Begünstigung wirtschaftlicher Ausbeutung und so weiter – und ernsthaft versuchen würden, ihre Einstellung und ihre Handlungsweise zu überdenken, dann könnte sowas wie Vertrauen entstehen und man könnte man manches akzeptieren. Tun sie aber nicht. Und deswegen hat sich diese Regierung, wie eine ganze Reihe sog. “westlicher” Regierungen auch, so ins Abseits gespielt, dass sie eigentlich jetzt gar nichts mehr richtig machen kann.

      • Otla schrieb am

        Ich würd erst mal voll in die Forderung einer anderen Partei – hab vergessen, welche – rein schlagen, von wegen parlamentarische Kontrolle, ob die Dresdner Polizei richtig gehandelt hat und angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs tatsächlich keine Alternative zum Verbot hatte.
        Denn ein momentanes Verbot ist zwar gerechtfertigt, aber nur dann, wenn wirklich nachweisbar akute Gefahr vorliegt. Und das hätte ich gerne nachgewiesen. Geheim? Ok, aber auch dafür haben wir Parlamentarier.
        Ich nehme an, auch die Satiriker der taz wüssten gerne, ob da überhaupt ernst zu nehmende Drohungen vor lagen.
        https://www.facebook.com/taz.kommune/photos/pb.171844246207985.-2207520000.1421707238./834429113282825/?type=1&theater

        Was den internationalen Aspekt betrifft (man sollte ihn nicht als erstes nennen, da die meisten Bürger mehr interessiert, was vor ihrer Haustür geschieht), so wird man als Partei auch nur da Erfolg haben, wo man so konkret wird, dass die Wähler sich nicht nur was drunter vorstellen können, sondern auch über das Für und Wider diskutieren können. Auf lange theoretische Erwägungen haben die meisten Bürger keinen Bock.

        Der viel geschmähte Todenhöfer hat heute sehr vernünftiges zum Problem gesagt. Dass der Westen diese Probleme vielfach hervor gerufen hat, muss man nicht weiter erwähnen; das sagt inzwischen so ziemlich jeder, außer den Islamophoben. Todenhöfer sagte sogar, IS sei bereits paar Wochen nach Bush’s Einmarsch in Irak gegründet worden. Todenhöfer meinte, es habe keinen Sinn IS aus der Luft zu bekämpfen. In Mossul beispielsweise lebten 5000 IS’ler unter 1, 2 Millionen Zivilisten, da müsste man Hundertausende Zivilisten umbringen, um paar IS’ler zu erwischen. Und die Angehörigen dieser Zivilisten würden dann selbstverständlich zum nicht geringen Teil neue Kämpfer werden. Er meinte, man müsse die irakischen Sunniten stärken, derzeit erschiene ihnen IS als das kleinere Problem gegenüber schiitischer Diskriminierung und Demütigung.

        Ich sehe das etwas anders. IS ist nicht nur in Syrien und Irak, sondern auch mehr oder minder in Sudan, Chad, Mali, Subsahara, Algerien, Libyen und vielen anderen Staaten. Also ein Problem in der ganzen Region bis nach Schwarzafrika hinein. Das selbstverständlich nicht von den irakischen Sunniten gelöst werden kann. Allerdings ist es nicht lösbar ohne die dortige Bevölkerung. Ich kenne das Gerede von wegen mal Saubermachen mit paar Marines usw. aus dem Libyen-Krieg. Nein. Das machen die Menschen dort nicht mit und es ist ihr Land. No boots on the ground, die Parole gilt so ziemlich überall und Ausnahmen sind selten. Daran also sollte man sich strikt halten.

        Man muss sich aber auch klar machen, dass IS höchst brutale Leute sind, die massenweise morden, verstümmeln, Leben zerstören. Dagegen gibt es nicht nur das Recht, sondern die Pflicht zu Nothilfe. Und das heißt nun mal auch: Waffen liefern. Was alleine aber keinesfalls genügt, wie jeder echte Krieger sehr wohl weiß: sie müssen auch daran ausgebildet werden. Selbst ‘ne Milan kann man nicht auf Anhieb bedienen.
        Es ist aber auch sonst Ausbildung nötig. Militärische Praktiker werden das wissen. Laien, und ein Großteil derer, die gegen IS kämpfen, sind Laien, sind willens, sich todesmutig im Kampf zu opfern. Profis trachten danach zu überleben, weil nun mal nur ein lebendiger Krieger ein guter Krieger ist. Und das bedeutet: Ausbildung. Auch der Offiziere. IS bekämpfen ohne eigenes militärisches Engagement geht also nicht. Es wäre bigott, eine Eigenschaft, die für die Europäer inzwischen leider berüchtigt sind. Und das alles kann nur in sorgfältiger Absprache mit den Vertretern der Bevölkerung geschehen. Das ist schwierig in Bürgerkriegsgegenden, aber ehe dass man sich da wieder gegen den Willen der Bevölkerung irgend welche passende Autokraten aufbaut, macht man lieber gar nichts.

        Luftwaffe ist durchaus wertvoll. Natürlich nicht in Städten, es sei denn, mit den teuren Präzisionswaffen, die man aber nur einsetzen kann, wenn man genug Unterstützer am Boden hat. Also wieder – die Bürger, ohne die geht’s nicht.

        Gedreht werden muss die gesamte Nah-/Mittelostpolitik nicht nur, was das Respektieren der Bürger eines Landes als dessen Souverän angeht; diese Souveränität sollte auch gegen Usurpatoren solidarisch verteidigt werden. Auch die Politik gegenüber den Golfstaaten muss grunderneuert werden, nicht nur Saudi Arabien. Man muss sich klar machen, dass diese Staaten eigene hegemoniale Ambitionen haben, die zusätzliche Spannungen bis zu kriegerischen Auseinandersetzungen in die Region tragen. Wer immer sie unterstützt, muss mit dem Misstrauen breiter Bevölkerungsschichten rechnen.

        Schlussendlich aber wird es keinen Frieden in der Region geben, ohne den zentralen Eiterherd zu heilen: den Palästina-Konflikt, von dem sich alle extremistischen Ideologien ernähren. Daran hat Israel kein Interesse. Aber nicht nur die von Terrorakten bedrohten Bürger Europas haben daran ein legitimes Interesse, dieses Interesse hat die weit überwiegende Mehrheit der Staaten der Welt, die längst Israels ewiges Gekeife, von wegen UNO, Amnesty International, ICC, Oxfam oder was auch immer seien alles Antisemiten, lächerlich macht. Hier hat Israel sich ganz einfach der Weltgemeinschaft zu beugen.

  2. Andena schrieb am

    Bei “Durch das Verbot wird überdies rechtspopulistischen Kräften ein Scheinargument in die Hände gespielt.” aufgehört zu lesen.

    Genau das sind diese Sätze der geistigen Brandstifter und Stichwortgeber der irren Feinde des Grundgesetzes, die zur Abschaffung der Meinungsfreiheit und des Versammlungsrechts führten.

    Ganz übel.

    • Dirk schrieb am

      Ich kann mich nicht erinnern, dass die Piraten sich je gegen die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit ausgesprochen hätten. Und auch wenn sie für Dich bereits abgeschafft zu sein scheinen: Noch gibt es sie – und das ist auch gut so. Das bedeutet allerdings nicht, dass man bei jedem menschenverachtenden Mob, der sich durch die Straßen wälzt, auch jubelnd daneben stehen muss und gut finden, was da an Parolen skandiert wird. Wie darf ich Deine reflexartige Inschutznahme rechtspolulistischer Kräfte in diesem Zusammenhang einordnen?

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