Beitrag von Christiane vom Schloss erschienen auf der Flaschenpost
Die Reform der Landesverfassung Schleswig-Holsteins war dringend notwendig, denn wichtige Modernisierungen in den Bereichen Transparenz, Bürgerbeteiligung, Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung und Inklusion waren längst überfällig. Am 8.10.14 beschloss der Kieler Landtag die folgenden Änderungen mit großer Mehrheit: 61 der 66 anwesenden Abgeordneten stimmten dafür.
An dieser reformierten Landesverfassung hat die Piratenfraktion nicht nur tatkräftig, sondern auch erfolgreich mitgearbeitet.
Die Präambel
Ein weitreichendes piratiges Ziel wurde schon mit der neuen Präambel erreicht, die bekanntermaßen mehr darstellt als nur zierendes Beiwerk einer Verfassung. In Zeiten zunehmender Säkularisierung in einer pluralistischen Gesellschaft wäre eine erneute Aufnahme des Gottesbezugs -wie ursprünglich von der CDU vorgesehen – in die Präambel kaum angebracht gewesen, alleine damit sich alle Bürgerinnen und Bürger mit der neuen Landesverfassung identifizieren können. Schon deshalb muss es irrelevant sein, welcher Religion ein Mensch angehört oder ob die Bürgerinnen und Bürger eher atheistisch gesinnt sind. Dieser weitreichende Erfolg der Fraktion der Piraten bei der Erarbeitung der Präambel ohne Gottesbezug setzt stattdessen Signale für Demokratie, Freiheit, Toleranz und Solidarität; Werte, die durch die Landesverfassung gestärkt werden sollen.
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Gemäß der UN-Behindertenkonvention wird in Artikel 7 die Inklusion von Menschen mit Behinderung als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen. Ebenfalls in der Verfassung verankert ist nun die Finanzierung der dänischen Minderheitsschulen, die den deutschen Schulen gleichgestellt werden, sowie die Erteilung von Friesisch- und Niederdeutschunterricht an den Schulen (Artikel 12). Letzteres hört sich vielleicht merkwürdig an, aber die Pflege der Muttersprache für die in Schleswig-Holstein lebenden dänischen Minderheit sowie für die Friesen spielt seit jeher eine wichtige Rolle.
Freier digitaler Informationszugang und digitale Privatsphäre
Ein Kernthema der Piraten betraf der neue Artikel 15, denn die vorhandenen “digitalen Basisdienste” des Landes (z.B. Landesportal) sowie der diskriminierungsfreie persönliche, schriftliche und elektronische Zugang zu Behörden und Gerichten wird neu festgeschrieben. Das bedeutet, dass sich das Land und die Gemeinden verpflichten, alle für den Bürger relevanten Informationen dort bereit zu halten. Bekräftigt wird dies durch den Artikel 47, der bestimmt, dass nach Verkündung die Gesetze und Rechtsverordnungen auch elektronisch veröffentlicht werden müssen. Diese Formulierung war sogar der Vorschlag der Piraten, von dem sie die etablierten Parteien überzeugen konnten. Der Schutz der digitalen Privatsphäre wird als Staatsziel und nicht nur als Grundrecht in der Landesverfassung in Artikel 16 verankert. Dies ist ein gravierender, notwendiger Eckstein zur digitalen Selbstbestimmung und enorm relevant für Datenschutz. Mit dem neuen Artikel 16 wurde also ein Kernthema piratiger Politik umgesetzt.
Bürgerbeteiligung und Volksentscheide
Petitionen werden als von Bürgerinnen und Bürgern gewünschte Form der Bürgerbeteiligung immer beliebter. Entsprechend werden sie nun auch behandelt. (Sammel-)Petitionen als Instrument der aktiven Bürgerbeteiligung können nämlich künftig öffentlich beraten werden, wenn keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden. So steht es nun in Artikel 26. Dieser Artikel stand ziemlich auf der Kippe, aber die Piraten hatten unmissverständlich darauf gedrängt und erfreulicherweise ihr Ziel erreicht.
Außerdem werden die Hürden für eine Volksabstimmung heruntergesetzt. Früher waren dafür 120 000 Unterschriften notwendig, zukünftig werden nur noch 80.000 Unterschriften benötigt (Artikel 50). Die Piratenfraktion hätte die Hürden für Volksentscheide lieber noch weiter herabgesetzt, aber hier haperte es am Konsens. Trotzdem hatte die Piratenfraktion in Ermangelung von Alternativen diesen Vorschlag unterstützt. Zudem soll ein mehrheitlich angenommener Volksentscheid künftig immer dann verbindlich sein, wenn ihm mindestens 15% der Stimmberechtigten zugestimmt haben. Bisher waren mindestens 25% zustimmende Unterschriften erforderlich. Dies ist im neuen Artikel 50 verankert. Die Bürgerinitiative “Mehr Demokratie” hatte für den Artikel 50 zusammen mit den Piraten Überzeugungsarbeit bei den anderen Fraktionen geleistet, so dass der Artikel in der beschriebenen Form gegen den Willen der CDU durchsetzt werden konnte.
Transparenz
Eine bürgernahe Verwaltungsorganisation wird als Staatsziel im Artikel 53 aufgenommen. Die Einsicht in amtliche Informationen wird jetzt in der Landesverfassung garantiert. Der Informationszugang des neuen Artikel 54 ist ein großer Schritt in Sachen Bürgerrechte. Für die Piratenfraktion war es ein harter Kampf, die folgende Formulierung durchzusetzen: “Die Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände stellen amtliche Informationen zur Verfügung, soweit nicht entgegenstehende öffentliche oder schutzwürdige private Interessen überwiegen.“
Alle anderen Fraktionen waren zunächst dagegen und vertraten die Position, dass jegliche schutzwürdige private Interessen (z.B. Geschäftsgeheimnisse, Urheberrechte) einen Informationszugang generell ausschließen sollten. Zusammen mit dem Journalistenverband und anderen Experten konnten die Piraten in der letzten Sitzung noch die entscheidende Änderung erreichen, so dass nun eine Abwägung erfolgt und das öffentliche Interesse am Zugang überwiegen kann.
Das Besondere ist außerdem, dass die Formulierung eine Beweislastumkehr darstellt. Im Grundsatz muss erst einmal Zugang gewährt werden, wenn nicht beweisbar ist, dass entgegenstehende Interessen überwiegen.
Die neue Landesverfassung bietet eine deutliche Verbesserung für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein. Selbst wenn die Piraten im Jahr 2017 nicht wieder in den Kieler Landtag gewählt werden sollten, haben sie auf jeden Fall Spuren hinlassen. Das bringt die geänderte Verfassung – der Volltext steht hier bereit: <http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/2100/drucksache-18-2115.pdf>