Meine Ehe, Deine Ehe – Ehe ist doch nicht für alle da!

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Ein Beitrag von Bernd Kasperidus, @BerndKasperidus.

Zum gefühlten 1000sten Mal beschäftigt sich der Bundestag mit der Gleichstellung von Schwulen und Lesben oder besser den LGBTI. Allein der Eindruck „zum gefühlten 1000sten Mal“ kommt schon einem schweren Armutszeugnis gleich; denn eigentlich sollte man erwarten, dass ein weltoffener, multikultureller und moderner Staat dieses Thema längst ad acta gelegt hat. Nun, ginge es nach den Menschen in Deutschland, wäre dies auch schon längst geschehen.

Deutschland im Jahre 2014 – vereinigt unter dem Gedanken, dass konservative Rollenvorstellungen längst der Vergangenheit angehören! Ganz Deutschland? Nein, eine kleine (gallische) Partei namens CDU/CSU leistet vehement Widerstand.

Eine selbsternannte Volkspartei, die sich dem entgegenstemmt, was längst in der breiten Masse des Volkes angelangt ist: Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung („Die Abwertung der Anderen“, 2011) besagt, dass 60,3 % der Deutschen längst denken, eine reguläre bürgerliche Ehe zwischen zwei Frauen oder zwei Männern wäre eine gute Sache. Eine Umfrage aus dem Jahr 2014 belegt, dass die Deutschen zu über 80 % der Ansicht sind, dass die Diskriminierung von LGBTI einem Land wie Deutschland nicht würdig ist.

Ein viel geliebtes Argument der Ewiggestrigen: Die Ehe sei im Verständnis des Grundgesetzes eine auf die Fortpflanzung ausgerichtete Verbindung von Mann und Frau. Hier muss man konstatieren, dass entweder die Politiker, die diese Aussage zum Besten geben, keinerlei Ahnung vom Grundgesetz haben, oder aber sie belügen kalt, berechnend und mit voller Absicht ihre Anhängerschaft.

Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, die die Ehe in ihrer Fortpflanzungsfunktion hervorhob, besagt Grundgesetz Artikel 6 Absatz 1 lapidar:

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

Und definiert damit die Ehe als Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft unabhängig von Familie. Unter anderem deswegen fällt auch eine kinderlose Ehe unter den Schutz des Artikels 6 GG.

Im Laufe der Zeit hat es eine Veränderung im gesellschaftlichen Bild von Ehe und Familie gegeben. So urteilte das Bundesverfassungsgericht noch bis 1997, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften vom Ehebegriff und damit vom Schutz der Ehe ausgeschlossen seien. Allerdings stellte das Bundesverfassungsgericht schon 1993 „hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in dem Sinne, dass der Geschlechtsverschiedenheit keine prägende Bedeutung mehr zukäme“ (BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1993 – 1 BvR 640/93) fest und erkannte an, dass der gesellschaftliche Wandel eine Neuinterpretation des Familien- und Eheverständnisses über kurz oder lang notwendig macht.

Im Jahre 2014 hat die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland in ihrem Verständnis von Ehe und Familie die alteingesessenen Parteien hinter sich zurückgelassen. Die Mehrheit der Deutschen sieht längst die Notwendigkeit, den erfolgten Wertewandel bezüglich Artikel 6 GG auch in rechtlichen Schritten zu vollziehen.

Längst wird im alltäglichen Sprachgebrauch nicht mehr zwischen „verheiratet“ und „verpartnert“ unterschieden. Der Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin ist längst die „Ehefrau“ oder der „Ehemann“. Der Vorgang an sich wird längst, ungeachtet, ob jetzt eine bürgerliche Ehe oder eine Lebenspartnerschaft eingegangen wird, als „heiraten“ tituliert. Selbst althergebrachte Traditionen wie „Reis werfen“, „den Strauß der Braut fangen“ oder die feierliche Zeremonie lassen keinen Schluss mehr zu, ob es sich um eine Heirat oder eine Verpartnerung handelt.

Weiterhin geht die Bevölkerung längst wie selbstverständlich davon aus, dass Lebenspartner dieselben Rechte und Pflichten wie ein Ehepaar haben, obwohl tatsächlich nur die Pflichten bei Ehepartnern und Lebenspartnern gleich sind. Auf der Rechteseite ist immer noch gewaltiger Nachholbedarf zu attestieren.

In Anbetracht dieses gesellschaftlichen Wandels ist es längst an der Zeit, den logischen Schritt zu tun und die bürgerliche Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu öffnen. Dies ist tatsächlich sogar sehr einfach möglich und besteht nicht, wie von Anbetern vorsintflutlicher Gesellschaftsmodelle gerne dargestellt, aus unüberwindlichen Hindernissen.

Tatsächlich wären gerade mal zwei Änderungen im BGB notwendig. Paragraph 1353 Absatz 1 Satz 1 müsste wie folgt geändert werden:

Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.

Paragraph 1309 Absatz 2 müsste ergänzt werden, weil einige ausländische Staaten bei gleichgeschlechtlichen Ehen/Partnerschaften keine Ehefähigkeitszeugnisse ausstellen:

(3) Absatz 1 gilt nicht für Personen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen und deren Heimatstaat die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht vorsieht.

Der Vollständigkeit halber müsste dann noch das Lebenspartnerschaftsgesetz angepasst werden, damit nicht gleichzeitig Lebenspartnerschaft und Ehe gelten, und es müsste eine Regelung für das Inkrafttreten geben.

Zwei kleine Sätze, zwei Paragraphen, deren Änderung für viele erzkonservative Politiker offensichtlich einem Weltuntergang gleichkäme.

Als Einwohnerin oder Einwohner dieses Landes sollte man sich daher fragen, ob der Gedanke so falsch sein kann, dass diese zwei kleinen Sätze ein kleiner Schritt für den Gesetzgeber sind, aber ein Riesenschritt für die Gesellschaft als Ganzes.

 


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