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Jede dritte Frau hat schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Dies fand die EU-Grundrechte-Agentur heraus. 62 Millionen in der EU lebenden Frauen waren mindestens einmal betroffen, das errechnete die Zeit.
In Deutschland wurden, laut der Dunkelfeld Studie, 13% der Frauen zum Opfer. Nur 5% gaben an, die Täter angezeigt zu haben. Auch Jungen oder Männer erleben körperliche oder sexuelle Gewalt, doch gibt es dazu weniger verlässlichen Zahlen, eine Metastudie ergab etwa 3% Betroffene. Die Dunkelziffer der Opfer ist schwer zu schätzen. Sofort fällt auf, wie wenige Anzeige erstatten.
Die Ursachen dafür könnten unter anderem durch die bisherige Gesetzeslage begründet sein, denn die Opfer mussten in Schleswig-Holstein zuerst Anzeige gegen den Täter erstatten. Erst dann konnten die Spuren am Körper dokumentiert und für den Prozess gesichert werden.
Das ist die falsche Reihenfolge, erklärte der Landesverband Frauenberatung den Landtagsabgeordneten anlässlich einer Fachtagung im Jahr 2013. Opfer sexueller Gewalt sind traumatisiert und haben zunächst häufig das Gefühl durch eine Anzeige die Tat noch einmal erleben zu müssen. Dies trauen sie sich anfänglich nicht zu. Eine Spurensicherung muss aber 24 Stunden nach der Tat geschehen. Die Tatsache, dass 66% der Täter aus dem Familien- oder Bekanntenkreis stammen, erhöht die Hemmschwelle, sofort Kontakt zur Polizei aufzunehmen, zusätzlich. Daher war die Fraktion der Piraten im Kieler Landtag schnell überzeugt, dass ein Gesetz zur anonymen Sicherung von Tatspuren nach sexueller Gewalt die Situation der Opfer verbessern würde, wenn sie später den Mut zur Anzeige finden. Gemeinsam mit der CDU stellte sie 2013 einen entsprechenden Antrag. Demnach können Opfer anonym die Tatspuren dokumentieren lassen, ohne den Zwang zur Anzeige. Letzteres bliebe den Opfern allerdings später unbenommen.
Der Antrag der Piraten zur anonymen Spurensicherung nimmt Fahrt auf!
Zwei Jahre dauerte es, bis sich alle Fraktionen auf einen gemeinsamen Antrag einigen konnten. Am 25.2.15 empfahl der Sozialausschuss dem Landtag die rasche Umsetzung. Am 20.03.2015 war es soweit. Der Landtag stimmte geschlossen für das Konzept. Nun ermöglicht das Land Schleswig-Holstein als zweites Bundesland nach dem Saarland die anonyme Spurensicherung nach sexueller Gewalt und hat damit ein niedrigschwelliges Angebot für die Opfer geschaffen. Mit 200 000 Euro hatte sich das Sozialministerium bereits Ende des Jahres 2014 darauf eingestellt, das Personal in Krankenhäusern zu schulen und das Konzept auszubauen. “Es sind nicht immer die großen, weltverändernden Dinge, die das Leben eines Menschen, in diesem Falle eines Opfers von menschenverachtender, sexueller Gewalt, verändern. Wir beeinflussen mit dieser neuen Grundlage Menschenleben. Darum ist uns hier ein großer Wurf gelungen. Dafür danke ich allen, die sich eingesetzt, gearbeitet und gerungen haben!”, erklärte Wolfgang Dudda, Landtagsabgeordneter der Piraten der Presse.
Verbesserte Chancen für die Opfer, die Täter zu Rechenschaft zu ziehen In einem Gerichtsprozess haben die Opfer zukünftig bessere Chancen die Verurteilung des Täters zu erwirken, weil es auch Beweise gibt, die das Gericht überzeugen können und sie nicht einfach hoffen müssen, dass allein ihre Aussage glaubwürdig genug ist. Insbesondere bei Fällen, bei denen die Anzeige erst mit großem zeitlichen Abstand erfolgt, ist dies eine deutliche Stärkung der Anklage.
Laut einer Studie ist nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass die Täter vom Gericht verurteilt werden in den letzten Jahren maßgeblich abgesunken: 21,6 Prozent der Opfer erzielten vor 20 Jahren mit ihrer Anzeige die Verurteilung des Täters – 2012 waren es nur noch 8,4 Prozent. Schuld daran wären unter anderem Personalengpässe bei der Polizei und wenig sorgfältige Erstvernehmungen des Opfers aufgrund von Zeitmangel.
Hoffentlich trägt die neue rechtliche Regelung dazu bei mehr Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen. Piraten wirken!