Netzsperren in Österreich

Websperre | CC BY Michael Renner

Beitrag von Jürgen Stock erschienen auf der Flaschenpost

Vor einigen Wochen ereignete sich ein Dammbruch: Vom “Verein für Anti-Piraterie” (VAP) wurde gegen zwei Seiten (kinox.to und movie4k) eine Netzsperre bei den Internet Service Providern A1, UPC, Tele2 und Drei durchgesetzt.

Eines Nachweises der Rechtsverletzung bedarf eine Sperranfrage laut der Gerichtsentscheidung derzeit nicht – es reicht die bloße Behauptung der Rechtsverletzung. Das ist eine für die Öffentlichkeit undokumentierte “Sperre auf Verdacht”. Netzsperren unterminieren den Rechtsstaat. Diese Vorgehensweise untergräbt den Rechtsstaat, weil nicht mehr Gerichte über die Verletzung von Urheberrechten entscheiden. Ein Verein übernimmt die Rolle des Richters, die Provider sind verpflichtet, Polizisten gleich, das gefällte Urteil umzusetzen. Mit Blick auf Großbritannien, wo schon vor Jahren Netzsperren etabliert wurden, kann man laut der Vereinigung der Internet Provider in Österreich beobachten, dass mittlerweile bereits fast jede fünfte Internetseite geblockt ist. “Unsere Befürchtung, dass die Errichtung einer solchen Zensur-Infrastruktur zu einem unüberblickbaren “Overblocking” führt, wurde in Großbritannien bereits bestätigt – nun wurde auch in Österreich die “Büchse der Pandora” geöffnet. Die derzeitigen Netzsperren sind teuer und ineffektiv. Doch ist zu befürchten, dass die Sperren bald besser funktionieren und zu politischer Zensur benutzt werden, so Andreas Czák, Netzpolitik-Sprecher der Piratenpartei besorgt. Bei Veröffentlichung geheimer Verhandlungspapiere zu transnationalen Abkommen (TTIP, CETA etc.) oder Leaks wie jenen von Edward Snowden kann der bloße Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung zur Sperre dieser Seiten führen und der Öffentlichkeit demokratiepolitisch wichtige Informationen vorenthalten. “Selbst das Wissen, wie man derartige Sperren umgehen kann, hilft nicht, wenn man von der Existenz einzelner Sperren nichts weiß – es besteht keine Pflicht zur Dokumentation der Sperren. Ob auch politisch missliebige Inhalte gesperrt werden, werden wir nicht erfahren, so Marcus Hohenecker, Vorstand der Piratenpartei.

Die Piratenpartei Österreichs fordert alle im Parlament vertretenen Parteien auf, Netzsperren in Österreich gesetzlich zu verhindern. “Es ist eine demokratische Bankrott-Erklärung, aufgrund wirtschaftlicher Partikularinteressen Meinungs- und Informationsfreiheit zu beschneiden – noch dazu in intransparenter Weise”, so Hohenecker weiter. Das Urheberrecht ist vermutlich ein bloßer Vorwand zur Zensur des Internet. “Wenn Menschen aufgrund mangelnden Angebots Daten daheim per USB teilen, wird dann auch das Hausrecht ausgehebelt?”, fragt Czák überspitzt.

Netzsperren können dem antiquierten Urheberrecht nicht zur Wirksamkeit verhelfen: Einerseits wird die gesperrte Seite nur versteckt und ist für versierte Nutzer weiterhin erreichbar (die Piratenpartei wird ihren Teil dazu beitragen).

Durch Websperren wird auch die Tatsache, dass sich Daten ohne Verlust vervielfältigen lassen, nicht beseitig. Daten sind ohne Verlust teilbar – egal auf welchem Weg. “Das heutige Urheberrecht ließe sich auch durch eine Komplettzensur des Internets à la China nicht durchsetzen”, so Czák weiter. Daher ist eine europaweit einheitliche Urheberrechtsreform unumgänglich, um Rechte-Inhabern in Zukunft die Ihnen zustehenden finanziellen Mittel zukommen zu lassen, wogegen sich die Rechte-Inhaberverbände ironischerweise sträuben. Die Piratenpartei fordert daher: “Reform des Urheberrechts statt Netzsperren!”

Piratenpartei hilft die Sperren zu umgehen

Der Verband der österreichischen Musikwirtschaft hat bereits fünf große Internetbetreiber aufgefordert, den Zugang zu weiteren Seiten zu unterbinden, unter anderem thepiratebay.se, isohunt.to und vielen anderen. Um der Sperre zuvorzukommen, betreibt die Piratenpartei schon jetzt https://bay.piratenpartei.at und https://bucht.piratenpartei.at, die ungefilterten Zugang zu PirateBay ermöglichen. “Wir sind gespannt, ob in weiterer Folge auch unsere Seiten gesperrt wird und man nicht nur das freie Internet, sondern auch weitere demokratische Grundsätze vermeintlich finanziellen Interessen opfert. Weil es die Parlamentsparteien bisher nicht geschafft haben, freies Internet gesetzlich zu garantieren, werden wir Piraten aktiv, um technisch und rechtlich die Interessen der Gesellschaft an unzensiertem Internet wahren”, gibt sich Erwin Ernst Steinhammer, Landesvorstand der Piratenpartei kämpferisch.

Streisand-Effekt

In Dänemark wurde die Sperre von PirateBay nach zwei Jahren wieder aufgehoben und gerichtlich festgestellt, dass die Sperren nicht nur wirkungslos sind, sondern die Aufrufzahlen der gesperrten Seiten durch die Sperre sogar gestiegen sind – der bekannte Streisand-Effekt.

Von unserem Gastautor Marcus Hohenecker (Piratenpartei Österreich) Näheres zur Piratenpartei: https://www.piratenpartei.at

 


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