Netzpolitik bleibt Kernkompetenz

Bild: Tobias M. Eckrich

Ein Gastartikel von Katrin Hilger.

Gleich vorweg: Ich sehe die Piraten als eine liberale Partei, die Freiheiten verteidigt. Die das “liberal” nicht im Sinne von “Ellenbogen raus” in Gesellschaft und Wirtschaft versteht, sondern sich einsetzt für mehr Miteinander und mehr Mitbestimmung. Das war die Partei, in die ich eingetreten bin. Denn wir stehen am Scheideweg und sollten innehalten und überlegen, wo wir hin wollen. Wir haben die letzten Wahlen mit Karacho verloren, daran ist wenig schönzureden. Und ja, wir könnten jetzt anlysieren, woher dieser Absturz kam. Interner Streit, eine nach außen sichtbare Orientierungslosigkeit und Inkonsequenzen, auch die sinkende Zahl derer, die bereit sind noch Einsatz zu zeigen sowie gewisse radikale Formen der politischen Diskussion – all das hat zu dem miesen Ergebnis beigetragen, keine Frage. Aber viel wichtiger ist, wie geht es weiter? Wie retten wir das tolle Projekt Piratenpartei? Dass wir uns in Halle auf eine Richtung einigen müssen, soviel ist klar. Wenn die Partei gemeinsam beschlossen hat, wohin die Fahrt gehen soll, gibt es kein Dagegenkämpfen mehr, sondern nur noch Mitziehen oder Austritt. Nachtreten gilt nicht. Ein zukünftiges Szenario, für mich der vielleicht einzige gangbare Weg, ist der Wandel der Piratenpartei zur Menschenrechtspartei statt zur Bürgerschreckpartei. Das bedeutet: Einsetzen für die Stärkung der Demokratie und der Rechte der Menschen in diesem Land und in Europa. Und dieses große Ziel beinhaltet auch die “Netzpartei”, denn ohne eine gute, moderne Netzpolitik sind in Zukunft keine Menschenrechte und keine echte Demokratie mehr möglich. Überwacht und gegängelt, mit immer weniger Möglichkeit zum vertraulichen Gespräch bleibt die Freiheit auf der Strecke.

Und ein weiterer Aspekt der Netzpolitik, den die Piraten besetzen könnten, weil sich sonst niemand drum schert: Unsere Regierung verschläft die modernen Technologien, hält zu sehr an alten Zöpfen fest. Denn über Deutschland wird gerade eine Käseglocke gestülpt. Alles soll bleiben wie es ist. Wir merken das am Urheberrecht, wo Altes zählt, und Neues verdammt wird. Wir haben die niedrigsten Datenraten und die schlechteste Netzabdeckung im mobilen Bereich. Unsere Technologie ist veraltet und es wird zu wenig investiert. Wir wittern Risiken, wo andere Chancen sehen. Wir machen Gesetze, wo andere Software programmieren. Wir glauben hier sei alles so toll und meiden den Blick über den Tellerrand weil wir genau wissen, dass andere Länder ihre Zukunft selbst gestalten, statt sie furchtsam abzulehnen.

Da verspielen wir Chancen. Und das können wir uns nicht erlauben, denn unser Rohstoff waren und sind Ingenieurskunst und Technologie. Wenn wir da in nicht allzu langer Zeit abgehängt werden, sieht es düster aus. Auch mit dem “Heiligen Gral” aller bürgerlichen Parteien – den Arbeitsplätzen. Wer kauft noch unsere Werkzeugmaschinen, wenn bald ganze Häuser im 3D-Drucker entstehen? Wer will unsere 6-Zylinder Coupes mit schöngerechneten CO2-Werten, wenn andere Elektorautos ohne wirkliche Verbrauchskosten anbieten. Wir können Goolge verbieten, unsere Strassen und Häuser zu photografieren, wir können dem Internet verbieten, unsere Zeitungen zu zitieren. Aber wir können niemanden zwingen die Museumsstücke zu kaufen, die wir hier für Hightech halten. Wenn wir so weitermachen, versinkt Deutschland in der Bedeutungslosigkeit, fällt hoffnungslos zurück. Wir sollten uns deswegen für gute Netzpolitik einsetzen. Das erfordert die radikale Abkehr vom “Internet der Überwachung” hin zum “Internet der Chancen”. Dass wir Piraten uns weiterhin für stärkeren Datenschutz einsetzen – klar. Das ist unverhandelbar. Die Netzpolitik und der Kampf für ein modernes Deutschland sollte so zentraler Bestandteil unserer Politik bleiben, einfach, weil nichts anderes sinnvoll ist. Mit diesen Themen können wir punkten und wieder relevant in die Debatten einbringen. Davon verstehen wir was. Und dann werden uns alle auch wieder zuhören, wenn wir von anderen Themen sprechen.


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