Transatlantische Beziehungen

Foto: Flickr, Mike Herbst, CC-BY-SA

Gastbeitrag von David Krcek

Eigentlich wundert man sich über die immer neuen Erkenntnisse in den Abhör-, Ausspäh- und Spionageaffären rund um die US-amerikanische NSA nicht mehr. Die Ereignisse dieser Woche allerdings lassen aufhorchen und tief blicken. Die Arbeitsweise der NSA birgt in Durchführung und Umfang einen totalitären Ansatz in sich, den man eher in Diktaturen verorten würde, aber nicht in einem Land, dessen Regierung für sich in Anspruch nimmt, Hüter der demokratischen Kultur und verantwortlich für deren Verbreitung zu sein. Dieses totalitäre, zutiefst undemokratische Element benannte auch William Binneys, ein früherer Direktor der NSA, als Teil der Arbeitsweise seines früheren Dienstes.

Den Beweis für diesen radikalen Vergleich erhielten wir letzte Woche, als ein Bundesbürger, der sich mit Verschlüsselungstechniken befasst, aus diesem Grund massiv und vollumfänglich ausgespäht wurde und der Enttarnung eines Doppelagenten beim BND, der für die NSA tätig war. Der Wunsch nach Privatsphäre wurde von der Öffentlichkeit unerkannt zu einem so gravierenden Verdachtsmoment, dass die Bundesregierung Überwachungsmaßnahmen zulässt, die man höchstens bei gravierenden Straftaten oder bei Terrorismusverdacht für angemessen halten würde.

Die NSA und ihre verbundenen Nachrichtendienste sind zu einem bösartigen Krebsgeschwür angewachsen, das sich nicht nur der demokratischen und judikativen Kontrolle entzogen, sondern die westlichen Demokratien in einem Maß unterwandert hat, der erschreckend ist.
Thomas Drake, ein weiterer Mitarbeiter der NSA sagte vor dem Untersuchungsausschuss

“Leider ist dieses Überwachungsregime zu einem System gewachsen, das die Welt abwürgt”.

Hier stellt sich uns als Bürger und Piraten eine wesentliche Frage: Ist die Bundesregierung wirklich der Meinung, dass der Versuch, unbeobachtet zu kommunizieren, mit terroristischen oder schwer kriminellen Ativitäten gleichzusetzen ist? Angesichts des donnernden Schweigens, der ständigen Relativierungen und des jüngsten “großen Erstaunens” der Kanzlerin, die diese Tätigkeit schließlich seit mehreren Jahren und nicht erst seit gestern ausübt, liegt dieser Schluss nahe. Schließlich öffnet die gewählte Regierung eines demokratischen, den Grundrechten verpflichteten Staates, einer ausländischen Behörde Tür und Tor und liefert die Bürger des eigenen Landes Machenschaften aus, die mit demokratischen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen sind.

Bei allzu kritischen Nachfragen wird regelmäßig auf die transatlantischen Partnerschaften und die deutsch-amerikanische Freundschaft verwiesen.
Die westlichen Regierungen schweigen und verweisen bestenfalls auf Gespräche unter Partnern. Das Auswärtige Amt bezeichnet die transatlantischen Beziehungen als einen Grundpfeiler deutscher Außenpolitik und beschreibt sie mit den Worten:

“Die transatlantischen Beziehungen beruhen auf gemeinsamen Werten und historischen Erfahrungen. Grundlage sind ebenso gemeinsame Interessen und unsere traditionell enge gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Verflechtung.”

Wir sind nicht der Meinung, dass Freundschaft und Tradition jede Maßnahme rechtfertigt, die einseitig und zu Lasten des “kleineren” Partners geht. Hier findet ein Missbrauch positiv besetzter Begriffe statt, um zu verbrämen, wie ausgeliefert Regierung, parlamentarische Organe und die gesamte Bevölkerung der Behörde eines anderen Staates sind. Eines Staates, der offenbar ebenso die Kontrolle darüber verloren hat wie die Bundesrepublik über ihre eigenen Dienste BND und Verfassungsschutz.

Bereits unter Präsident Bush zeigte sich die Regierung der USA von einer beeindruckenden Ignoranz bezüglich der Vorstellungen, Werte und Lebenswirklichkeit ihrer angeblichen europäischen Freunde und Verbündeten. Unter der Regierung von Obama hat sich an der Einstellung wenig geändert; sie wurde nur eine lange Zeit hübscher verpackt und etwas besser verkauft. Im Gegenteil: Völkerrechtswidrige Drohnenangriffe, die Bespitzelung, das Ausspähen und die Überwachung weltweit haben unter dem jetzigen Präsidenten sogar noch zugenommen und verdeutlichen das Bild der unbeschränkten Hegemonialmacht Amerikas.
Die persönliche Zusage Obamas an Merkel, dass ihr Handy zukünftig nicht mehr abgehört wird, mutet da wie ein obszöner Witz an.

Die massive Spionage gegen die transatlantischen Partner wirft aber ein weiteres sehr bedenkliches Bild auf die im geheimen laufenden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der europäischen Union und den USA. Es drängt sich zumindest der Verdacht auf, dass die bis dato arglosen Europäer durch Spionage in Verhandlungspositionen gedrängt werden, die den USA sehr zugute kommen und mittels derer Europa über den Tisch gezogen wird.

Partnerschaft, im besonderen die von Staaten, kann nur auf Augenhöhe bestehen. Eine Beziehung, die verblüffende Ähnlichkeit mit dem Verhältnis zwischen Herr und Diener aufweist, funktioniert nur in Abhängigkeitsbeziehungen mit starkem Gefälle. Von einer transatlantischen Partnerschaft auf Augenhöhe kann daher im Moment auch bei weitester Auslegung des Partnerschaftsbegriffs nicht gesprochen werden. Es ist an der Zeit, dass die europäische Union den USA klare Grenzen aufzeigt, was Europa gewillt ist zu akzeptieren und was nicht.

Auf die geheimdienstliche Ausspähung des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags wäre eine machtvolle Demonstration der eigenen Souveränität die angemessene Reaktion: Ein uneingeschränktes Asylangebot für Edward Snowden in einem Staat der Europäischen Union wäre ein erster Schritt zur Emanzipation der EU und ein erster Schritt zu einer echten transatlantischen Partnerschaft auf Augenhöhe.


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