Ein Diskussionsbeitrag der UG Fracking der AG Umwelt.
»Nato-Generalsekretär Rasmussen sieht beim Streitthema Fracking eine gezielte russische Kampagne am Werk. Zusammen mit NGOs wie Greenpeace arbeite der Kreml daran, Europas Abhängigkeit von russischem Gas zu sichern.« Das konnte man kürzlich bei n-tv lesen. Der Stoff, aus dem Verschwörungstheorien entstehen? Nein, nur eine einfache Diffamierungskampagne mit zu offensichtlichem Ziel.
Was steckt dahinter? Seit mehreren Jahren formiert sich in Deutschland eine immer stärker werdende Bürgerbewegung gegen das sogenannte »Fracking«. Inzwischen besteht diese Bewegung aus über 70 Bürgerinitiativen, deren Anliegen es ist, die Öffentlichkeit über die vielfältigen dauerhaften Gefahren durch diese – für Europa glücklicherweise noch neue Gas- und Ölfördermethode – zu informieren.
Diese Bürgerbewegung nutzte in den letzten Monaten alle Mittel der demokratischen Mitgestaltung. Engagierte Menschen sammelten in mühevoller Kleinarbeit Fakten, die sie mit Hilfe von Petitionen und sachlichen Anhörungen an die Politiker herantrugen, und die gelebte Bürgernähe der Piratenpartei ermöglichte ein bisher unbekanntes Zusammenwirken mit parlamentarischen Möglichkeiten: Die Piraten-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag stellte eine ganze Reihe von kleinen Anfragen an die Landesregierung, durch die wir die tatsächliche Handlungsunfähigkeit auf Länderebene bestätigten konnten. Schließlich initiierte Schleswig-Holstein dann doch eine halbherzige Bundesratsinitiative, der die Umweltminister in Koblenz zustimmten.
Interessanterweise wurden zu keiner Zeit die von der Bürgerbewegung und den Piraten vorgelegten Fakten widerlegt. Die Gefahrenszenarien durch Fracking sind also anerkannt und stichhaltig. Immerhin: Man nahm die Fakten zur Kenntnis, Ämter und Gemeinden verabschiedeten Resolutionen gegen Fracking – aber am Ende wurde doch wieder auf eine Entscheidung auf Bundesebene verwiesen.
Nach Informationen von tagesschau.de will sich die Große-Koalition ab September mit einem Fracking-»Minimalkonsens« befassen, der – genauer betrachtet – aber eher ein Fracking-Ermöglichungsgesetz ist.
Gabriele Kögler, Piratin und Mitglied einer der Bürgerinitiativen gegen Fracking, beanstandet diese Beschwichtigungsstrategie: »Bei diesem Gesetzesvorhaben werden nur die giftigen Fracking-Chemikalien verboten und die Wasserschutzgebiete vom Fracking ausgenommen: Das umfasst noch nicht einmal alle Trinkwassereinzugsgebiete! Und dieser angebliche Minimalkonsens ignoriert die noch weitaus größeren Gefahren durch Lagerstättenwasser.«
Anders als bei traditioneller Bohrung wird nämlich beim Fracking nicht nur einfach in die Erde gebohrt, sondern es wird ein unterirdisches Röhrensystem angelegt, das den Boden im Umkreis von mehreren Kilometern um das Bohrloch durchzieht. In dieses Röhrensystem wird unter hohem Druck Wasser gepumpt. Nach der Gesetzesvorlage wird dies immerhin sauberes Wasser sein – das aber natürlich unseren Trinkwasservorräten entnommen wird und dort später fehlt. Durch den Wasserdruck entstehen unkontollierbare Risse im Boden. Daher nennt man das Verfahren auch »hydraulic fracturing«, also »Aufbrechen durch Wasserdruck«. Durch diese Risse fließen dann nicht nur die gewünschten Bodenschätze – also Öl und Gas – zu den Bohrlöchern, sondern auch oft giftiges Tiefenwasser aus Lagerstätten, die bisher sicher getrennt vom Trinkwasser waren. Durch den hohen Druck rechnet man mit der vielfachen Menge solchen Lagerstättenwassers, wie bei konventionellen Bohrungen anfällt. In Nordamerika wird dieses Wasser oft einfach in Flüsse eingeleitet oder man lässt es in Sickerteichen verdunsten. Das geht hier nicht, also bleibt eigentlich nur, es wieder in die Erde zurückzupressen. Dabei entstehen aber noch mehr Risse im Gestein. Ein Teufelskreis. Dass diese ganze unterirdische Durchlöcherung zu einer erhöhten Gefahr von Erdbeben führt, ist nicht verwunderlich. Um keine wirklich belegbaren Nachweise zu erzeugen, wird die Entstehung solcher Erdbeben nicht direkt in den Bohrungssystemen gemessen – und es gibt bislang auch keine Auflage zur Installation von Geophonen. Aber anders sind die aktuellen Erdbeben in der Nähe von Fracking-Bohrungen in den Niederlanden und bei Bremen kaum zu erklären.
»Dem Bürger wird Sicherheit nur suggeriert. Die Frage der Entsorgung wird völlig außer Acht gelassen. Ähnlich wie bei der Atomkraft existiert bis heute kein schlüssiges Entsorgungskonzept für die riesigen Mengen des an die Oberfläche gepumpten Lagerstättenwassers. Das ist einfach Giftmüll, und sie wissen nicht, wohin damit«, ärgert sich Gabriele Kögler.
Industrie und Politik gehen also anscheinend die Argumente aus. Da liegt es nahe, die Sachebene zu verlassen und weit abseits der Tatsachen eine kleine Verschwörungstheorie in den Medien zu platzieren. Und was eignet sich dazu besser, als Umweltschutzorganisationen und Bürgerinitiativen eine Verbindung mit dem gerade aktuellen Feindbild Russland nachzusagen.
Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) fordert eine öffentliche Entschuldigung von NATO-Generalsekretär Rasmussen. Wir meinen: Die ist hier durchaus angebracht!
Auch aus den USA erhält die Bewegung gegen Fracking Rückenwind. Manchmal eher unabsichtlich, wenn z.B. Exxon Mobile CEO Rex Tillerson, gegen einen der für hydraulisches Fracking notwendigen Wasserspeicher vor seiner eigenen Wohnung klagt – den eine seiner eigenen Tochterfirmen errichten will. Und manchmal musikalisch, wenn sich Künstler wie Yoko Ono, Sean Lennon, Liv Tyler und Susan Sarandon zusammentun, um in dem Lied »Don’t Frack My Mother« gegen das Fracking einzustimmen.
Wie es wohl wäre, wenn man symbolisch einen Fracking Turm am Heiligen Damm oder am Bundeskanzleramt aufstellen würde? Oder über allen Genehmigungsfeldern 200 große rote Riesenballons, als Symbol für die vielen zu errichtenden Bohrtürme, schweben würden?
Die Piratenpartei wird weiterhin alle politischen Zugangsmöglichkeiten nutzen, um die Bürgerbewegung gegen Fracking zu unterstützen. Durch das Zusammenspiel von Bürgern mit einer durchlässigen Parteiarbeit ermöglichen wir, dass Bürgerwille auch in politischen Gremien und bei der Bundesregierung Gehör findet. Das kann die Regierung in Berlin dazu veranlassen, wegweisende Entscheidungen zum Wohle der Bürger und der Umwelt zu treffen – statt einen windelweichen »Minimalkonsens« im Sinne der Industrie durchzuwinken.
In Thüringen und Brandenburg bieten die kommenden Landtagswahl am 14. September eine Chance, sich gegen Fracking und für erneuerbare Energien auszusprechen.
Fracking ist ein abenteuerliche und umweltschädliche Methode mit unabsehbaren Folgen. Mit einer nachhaltigen Energiewende hat es nichts zu tun. Wir Piraten stellen uns die Energieversorgung anders vor und haben z.B. in unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 aufgeschrieben, wie sie hin zu mehr Nachhaltigkeit, Dezentralität und Transparenz entwickelt werden kann. Wenn die Regierung den Gestaltungswillen verloren hat – wir helfen gerne 😉