Der NSA-Untersuchungsausschuss hat endlich beschlossen, Edward Snowden als Zeugen zu vernehmen. Aber nicht einfach so, wie die anderen 27 Zeugen. Nein: Mit Edward Snowden soll ein »Vorgespräch« geführt werden. Informell. In Moskau. Für diese merkwürdige Vorgehensweise gibt der Ausschuss keinen nachvollziehbaren Grund an – und noch nicht einmal eine offizielle Begründung, wie aus der Stellungnahme von Snowdens deutschem Rechtsanwalt hervorgeht. Über die Presse wird abwechselnd lanciert, es bestehe Unklarheit über Snowdens Absicht, in die USA zurückzukehren, Snowden stünde in Moskau nicht einmal zu einem informellen Gespräch zur Verfügung oder dass die Bundestagsabgeordneten erst einmal sondieren wollten, welche Bedingungen Snowden für eine Vernehmung stellen würde.
Dabei wäre alles so einfach: Die Bundesregierung erklärt öffentlich, dass sie Edward Snowden sicheren Aufenthalt in Deutschland garantiert. Snowden reist ein und sagt vor dem Untersuchungsausschuss aus. Die Bundesregierung überlässt ihm die Entscheidung, ob er das Risiko der verwickelten völkerrechtlichen Vertragseinbindung der Bundesrepublik auf sich nehmen will, oder ob er in einen anderen Staat ausreisen möchte, der ihm sicherer erscheint. Die notwendige Informationsgrundlage für eine solche Entscheidung sollte Edward Snowden – mehr als die meisten von uns jedenfalls. Aber wie gesagt: Es wäre einfach. Denn die Bundesregierung müsste es erst einmal wollen.
Aber ganz offensichtlich will sie es nicht. Und so erweisen sich alle diese Manöver als Teil einer großangelegten Verzögerungstaktik, die darauf ausgerichtet ist, der politischen Konfrontation mit der US-Regierung auszuweichen. Vermutlich hofft man, dass Snowden Russland rechtzeitig – also bevor es tatsächlich zur Befragung kommt – verlassen muss oder gar freiwillig in die USA zurückkehrt. Das war uns allen seit langem klar.
Seit letzter Woche kommt allerdings ein weiterer Grund hinzu, der diese Verzögerungen – aus der Sicht der Bundesregierung – notwendiger macht, denn je. Es wurden nämlich weiterem pikate Details über die massenhafte und anlasslose Überwachung des Internetverkehrs bekannt: Ortsansässige Dienste, unter ihnen der BND, kooperieren beim Abhören der Glasfaserkabel mit der NSA. Während die NSA Know-How, Spezialequipment und Software zuliefern, übernehmen sie die Abstimmung mit den Telefongesellschaften und die Installation des Überwachungsequipments vor Ort. Konkret zum BND wurde bekannt, dass er im Rahmen des Überwachungsprogramms RAMPART-A mit der NSA und dem dänischen DDIS zusammengearbeitet hat. Die Aufdeckung weiterer Verwicklungen darf erwartet werden.
Jens Stomber, Themenbeauftragter der Piratenpartei für den NSA-Skandal, zieht die Schlussfolgerung aus der neuen Faktenlage und erklärt damit auch das merkwürdige Vorabgespräch mit Snowden: »Es ist doch ganz einfach: Die Nachrichtendienste wollen vor der offiziellen Aussage von Edward Snowden wissen, wie viel er weiß. Dann können sie das betroffene Abhörequipment an Internetknotenpunkten und Glasfaserleitungen noch rechtzeitig deinstallieren, bevor der Generalbundesanwalt endgültig gezwungen ist, zu ermitteln. Der Kooperation der Telekommunikationsunternehmen können sie sich dabei sicher sein. Und so schlägt das Vorgespräch in Moskau zwei Fliegen mit einer Klappe: Man erhofft sich wichtige Informationen und, da die Regierungsmehrheit anschließend einen passenden offiziellen Vernehmungstermin festlegen kann, genügend Zeit, diese Informationen noch zur Verdunklung zu verwenden. Nur so können es die Dienste – und mit ihr die Regierung – vermeiden, kalt erwischt und ein weiteres Mal öffentlich vorgeführt zu werden.«