Schein und Sein

Echter Flausch

Beitrag von Boris Turovskiy erschienen bei der Flaschenpost

Unser Infostand in Kelkheim am 12.05.2012 | CC-BY-SA Amadeo Mena Vicente

Unser Infostand in Kelkheim am 12.05.2012 | CC-BY-SA Amadeo Mena Vicente

Am 1. November findet die Demo “Glücklich ohne Überwachung” in Frankfurt statt. An dieser Stelle möchte ich zuallererst zu einer aktiven Teilnahme aufrufen. Das Thema geht uns alle an!

Als ich die Webseite der Demo besuchte, fiel mir allerdings eins sofort auf: an keiner Stelle war ersichtlich, dass Piraten an der Organisation der Demo beteiligt sind, geschweige denn, dass sie die Hauptorga stellen. Erst Nachfragen über Twitter und die Angaben im Impressum stellten das klar. Ich als Parteimitglied und Flaschenpost-Redakteur bin natürlich daran interessiert, die Beteiligung der Piraten hervorzuheben; ein neutraler Journalist muss nicht so hartnäckig sein, und ein Interessent, der vielleicht bloß auf die Webseite schaut, um Zeit und Ort der Veranstaltung in Erfahrung zu bringen, wird sich die Arbeit fast sicher nicht machen.

Nun ist die Organisation von Demonstrationen oder ähnlichen Veranstaltungen als Partei immer eine heikle Angelegenheit. Die Piratenpartei hat nicht die Manpower oder die Reichweite, um im Alleingang eine Großdemo zu organisieren. Deshalb müssen Bündnisse geschmiedet werden, an denen auch andere Parteien, Organisationen und Verbände beteiligt sind. Diese lassen sich allerdings ungern von einer einzelnen Partei zu Wahlwerbezwecken vereinnahmen, weshalb immer ein Kompromiss gesucht werden muss. Dennoch ist auffällig, das gerade bei Aktionen, die von den Piraten (mit-)organisiert werden, die Piratenpartei oft in der öffentlichen Wahrnehmung weit hinter den anderen Teilnehmern bleibt. Das ist für die Außendarstellung, die wir dringend benötigen, um wieder Wahlerfolge einzufahren, nicht gut und wirkt nicht zuletzt auch demotivierend für die vielen, meist ehrenamtlich tätigen, Parteimitglieder, die ihre Arbeit in die Organisationsarbeit reinstecken, nur um dann zusehen zu müssen, wie andere dadurch ins Rampenlicht kommen. Auch die politische Arbeit von Piraten in Landes- und Kommunalparlamenten ist wesentlich erfolgreicher, als es nach Außen den Anschein erweckt. Die Flaschenpost wird zukünftig eine eigene Rubrik führen, um von den Erfolgen der Piraten zu berichten. Hier gilt ebenfalls, dass inhaltliche Ergebnisse nicht nur erbracht, sondern auch nach außen kommuniziert werden müssen, was bisher oft zu kurz gekommen ist.

Es gibt mehrere Gründe, warum Piraten tendenziell in der Öffentlichkeit weniger präsent sind, als es unsere Arbeit ermöglichen würde. Einerseits kommen viele Piraten aus Organisationen wie dem CCC oder AK Vorrat. Diese müssen nicht zu Wahlen antreten und für Stimmen werben, sondern können sich alleine auf ihre inhaltlichen Ziele konzentrieren. Je mehr Partner für eine Veranstaltung gefunden werden können, umso besser. Wenn eine Partei ihre Teilnahme an eine Möglichkeit zur Eigenwerbung knüpft oder die Präsenz anderer Parteien eingeschränkt sehen möchte, ist das aus dieser Sichtweise vollkommen akzeptabel, solange dadurch mehr Aufmerksamkeit für die Aktion und deren Inhalte erzeugt wird. Wir als Partei befinden uns hingegen in einem Spannungsfeld, denn die Mitstreiter bei einer Demo sind gleichzeitig Mitbewerber, wenn es um Wählerstimmen geht. Die etablierten Parteien haben wesentlich mehr Erfahrung auf dem politischen Parkett und wissen es, jede Gelegenheit für Werbung in eigener Sache zu nutzen. Die im Bundestag vertretenen Parteien haben zudem den Vorteil, dass die Medien von sich aus – verständlicherweise – dazu tendieren, diesen Parteien mehr Aufmerksamkeit einzuräumen, als Kleinparteien. Das bedeutet, dass wir mehr Aufwand für die Öffentlichkeitsarbeit betreiben müssen, um die gleiche Außenwirkung zu erzeugen.

Neben mangelnder Erfahrung kommt bei Piraten an dieser Stelle aber noch ein weiterer Faktor dazu, der uns nicht nur bei der Organisation von Demos, sondern auch im Wahlkampf und in der täglichen politischen Arbeit das Leben erschwert. Wir haben uns seit unserer Gründung einem sehr sachlichen Politikstil verschrieben, was nicht zuletzt auf den technisch-naturwissenschaftlichen Hintergrund vieler Gründungsmitglieder zurückzuführen ist. So betonten wir stets unsere “Ideologiefreiheit” und einen lösungsorientierten Politikansatz, der die Vernunft als wichtigstes Maß für die Ausarbeitung und Beurteilung politischer Vorschläge betrachtet. Auch das bekannte und immer noch nicht ganz aufgegebene Motto “Themen statt Köpfe” entspringt diesem Gedanken: Rational gesehen, kann es keinen Unterschied machen, wer eine bestimmte Position vertritt, da es keine Auswirkungen auf die logische Stimmigkeit der Position hat. Doch der demokratische Politikbetrieb ist maßgeblich durch irrationale Entscheidungen, persönliche Sympathien und “Bauchgefühl” geprägt. Die Sympathie- und Bekanntheitswerte eines Kandidaten färben in einem nicht unerheblichen Maße auf die Attraktivität der von ihm vertretenen Positionen ab. Genauso ist die positive Wahrnehmung kein automatisches Ergebnis von guter Arbeit, sondern verlangt auch bewusste Bemühungen zur Selbstdarstellung. Das mag uns wenig sympathisch erscheinen, aber wir haben uns nun mal für die Organisationsform einer Partei entschieden, und das bedingt die Notwendigkeit, bestimmte Spielchen mitzumachen, auch wenn wir sie als irrational und kontraproduktiv ansehen.

Wir sollten dabei keineswegs andere Parteien darin nachahmen, einen Mangel an inhaltlicher Arbeit mit möglichst viel öffentlichkeitswirksamen Getöse zu überschallen. Wir dürfen uns auch nicht aus Bündnissen zu unseren Kernanliegen, wie Überwachung oder Zensur, zurückziehen, bloß, weil uns dort keine Bühne für Parteiwerbung geboten wird. Was wir aber machen können und müssen ist, das Spannungsfeld zwischen Einsatz für die Sache und Werbung für die Partei bewusst wahrzunehmen und stets ein Auge darauf zu behalten, wie die eine oder andere Aktion sich auf unsere Außendarstellung auswirkt. Dabei werden wir, gerade bei Demonstrationen, immer auch Kompromisse eingehen müssen. Aber ein Kompromiss setzt voraus, dass sich alle Seiten aufeinander zubewegen – und nicht, wie es bisher oft der Fall war, dass die Piraten durchgehend Zugeständnisse machen und die Früchte unserer Arbeit kampflos anderen Akteuren oder gar dem politischen Gegner überlassen.


Kommentare

7 Kommentare zu Schein und Sein

  1. June schrieb am

    Ich bin es leid einen solchen Schwachsinn zu kommentieren. Das Problem liegt einfach daran, dass wir lieber einen BEO-Verifizierungs-Schulungs-Organisator haben und brauchen und zig huntert Leute die inzwischen ausgeuferte Bürokratie bedienen müssen und für die wirklich wichtige Arbeit bleibt einfach keine Kapazität mehr übrig. Außerdem ist es nicht wichitg bei Veranstaltungen und Aktionen wie die Rampensau dazustehen. Das können andere Parteien besser. Natürlich muss man schon Flagge zeigen und in der Berichterstattung muss der Name auftauchen. Ich kann nur sagen, ernsthaft Aktionen durchzuführen bei dennen man unaufdringlich auftritt überzeugt Leute nachhaltiger, als reine Showveranstaltungen durchzuziehen nur um wieder mal einen Wahlerfolg zu haben. Außerdem brauchen wir gar keinen Wahlerfolg und haben ihn auch nicht verdient. Wir haben in den meisten Bundesländern Piraten in Kommunalen Parlamenten, aber diese Leute werden alleine gelassen, anstatt mit ihnen zu arbeiten. Viele Piraten sind zur richtigen Arbeit gar nicht bereit und betrachten es schon als Politik, wenn sie ihren Feierabend auf Twitter bei einem Shitstorm verbracht haben.

    • TurBor schrieb am

      Hallo June, Wie du selber schreibst: “Natürlich muss man schon Flagge zeigen und in der Berichterstattung muss der Name auftauchen.” – und eben das passiert oft nicht oder nicht ausreichend. Selbstverständlich ist es nicht das einzige und auch nicht das größte Problem der Piratenpartei, aber in dem Beitrag geht es speziell um dieses Thema. Und das beschriebene Problem gibt es schon seit langem, auch 2009 und 2011, als wir keinen Mangel an aktiven arbeitenden Mitgliedern hatten, war es zu erkennen. Während eines Hypes wurde das dadurch abgemildert dass die Presse uns von sich aus hinterher gelaufen ist, jetzt sieht man bloß die Folgen besser.

      Viele Grüße, Boris

  2. Manfred Steffan schrieb am

    Ich stimme dem Beirag zu, wenn er die Wichtigkeit eines guten Selbstmarketings hervorhebt. Allerdings ist das beste Marketing kontraproduktiv, wenn es eine Verpackung ohne Inhalt ist. Wofür die PIRATEN stehen, sollte ganz einfach sein: Das Parteiprogramm ist der “Common sense”. Jedoch interpretieren manche ihre persönlichen Ideen in die Piratenpartei hinein und verkaufen sie als Parteimeinung. Und das Parteiprogramm enthält Lücken, die zu solchem Verhalten einladen: Für welches wirtschaftspolitische Konzept beispielsweise steht die Piratenpartei?

    • TurBor schrieb am

      Hallo Manfred, in dem Beitrag geht es speziell um die Außendarstellung. Es ist klar, dass es bei weitem nicht das einzige (und auch nicht das größte) Problem der Piratenpartei heute ist. Zur Problematik des Parteiprogramms gab es erst kürzlich ebenfalls einen Beitrag von mir in der Flaschenpost.

      Viele Grüße, Boris

      • „Dennoch ist auffällig, das gerade bei Aktionen, die von den Piraten (mit-)organisiert werden, die Piratenpartei oft in der öffentlichen Wahrnehmung weit hinter den anderen Teilnehmern bleibt.“

        Danke für diesen neuen Gedanken!

  3. Manfred Steffan schrieb am

    @TurBor: Danke für den Hinweis auf deinen anderen Beitrag. Zu diesem der Hinweis: Es ist nicht nur eine gewisse Unübersichtlichkeit. Es fehlen inhaltliche Festlegungen. Grundsätzlich müssen wir, unabhängig von uneren inhaltlichen Schwerpunkten, zu allen wesentlichen Poitikthemen eine Meinung haben, wenn wir gewählt werden wollen. Der Wähler kauft bzw. wählt doch nicht die Katze im Sack, sondern will wissen, wes Geistes Kind sein Abgeordneter ist.

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