Elektromobilität – Konkurrenz für den ÖPNV: aber nur auf der Busspur

Bild: (BY-SA) Ulrich Steinlechner

1.000.000 Elektroautos, die bis 2020 über unsere maroden Straßen rollen sollen. So der Wille der Bundesregierung. 12.000 Exemplare haben es geschafft. Das sind sagenhafte 1,2% des Zielwertes.

Dass man hier scheinbar Nachholbedarf hat, scheint nun auch der Bundesregierung irgendwie aufgefallen zu sein, denn sie hat im Bundeskabinett den Entwurf für ein Elektromobilitätsgesetz beschlossen. Dieser kommt, nicht überraschend, aus dem Umweltressort, allerdings ist auch der ›Minister für digitale Feldwege und Klüngelmaut‹, Alexander Dobrindt, einer der Initiatoren dieser Vorlage.

Wieder einmal sollen durch verschiedene Maßnahmen Elektroautos im Straßenverkehr bevorzugt werden. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen an Absurdität kaum noch zu überbieten sind.

Als erstes muss man einen Blick darauf werfen, wer denn eigentlich von diesen ›Erleichterungen‹ profitieren soll. Hier wird schnell deutlich, dass es nicht nur um reine Elektroautos geht, sondern auch die sogenannten ›Hybridantriebe‹ eingeschlossen sind. Also genau die Fahrzeuge, wie beispielsweise auch der Porsche Cayenne, die mickrige 30km rein elektrisch fahren können, ansonsten aber jede Menge CO2 in die Luft pusten. Dass dies im Sinne eines nachhaltigen, ökologischen und umweltfreundlichen Verkehrskonzeptes völliger Unsinn ist, dürfte jedem einleuchten.

Doch was genau steht denn nun im Entwurf an konkreten Maßnahmen?

Als eine konkrete Maßnahme sieht der Entwurf vor, dass den Städten und Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt wird, Elektroautos in den bislang zugeparkten Innenstädten kostenlose Parkplätze oder Parkflächen anzubieten. Dies scheint zunächst sinnvoll, wird jedoch von der Tatsache des Einbezugs der ›Hybriden‹, die dann eben bis kurz vor der Innenstadt mit 8-10 Litern und jeder Menge CO2-Ausstoß durch die Städte rauschen, konterkariert. Diese dann auf Grund einer vermeintlichen Umweltfreundlichkeit mit einem kostenlosen Parkplatz zu belohnen, mutet schon ein wenig absurd an.

Noch absurder wird es allerdings, wenn man sich den zweiten konkreten Vorschlag anschaut.

Dieser sieht vor, dass Elektroautos nunmehr auch die Busspur benutzen können. Es ist natürlich ungemein hilfreich, wenn dem jetzt schon im Stau steckenden Nahverkehr die bislang einzige Möglichkeit zügig voranzukommen genommen wird. Und gerade im Hinblick auf die Hybriden ist der Vorschlag noch weniger zu verstehen, da hier sich dann eben diejenigen, die sich ein Elektroauto leisten können, mal so eben am normalen Stau vorbeimogeln. Und alle diejenigen, die auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sind, sich einen exorbitant teuren Elektrowagen zu leisten, oder aus Vernunftsgründen für kurze Strecken den Nahverkehr bevorzugen, stecken dann im Bus und schauen zu, wie sich hybride CO2-Schleudern vor ihnen einreihen.

Dieser Vorschlag ist nicht nur Gift für die ›Park&Ride‹-Konzepte, sondern wird ebenso dazu führen, dass der innerstädtische Nahverkehr an Attraktivität verliert. Insofern konterkariert dieser Entwurf jedes noch so nachhaltige und ökologische Verkehrskonzept. Das sehr sinnvolle Vorrecht, Staus zu umgehen, war bisher bewusst und gezielt dem öffentlichen Nahverkehr vorbehalten. Auch wenn die Preise des ÖPNV mittlerweile stark gestiegen sind, bietet er den Bürgern eine Möglichkeit, schnell von einem Punkt zum anderen zu kommen.

Daher haben in einer ersten Reaktion auch einige Städte und Gemeinden (Hamburg, Berlin, Stuttgart, München) diese Vorschläge bereits abgelehnt.
Es drängt sich wieder einmal der Verdacht auf, dass mit diesem Gesetzesvorschlag den großen Autokonzernen der Absatz ihrer hybriden Fahrzeuge erleichtert werden soll. Und am Ende profitieren bei den reinen Elektroautos diejenigen, die sich diese Fahrzeuge auch leisten können. Schaut man sich die (Durchschnitts-)Preise für reine Elektrofahrzeuge an, wird man schnell feststellen, dass hier unterhalb von 18.000 Euro nicht viel zu machen ist. In der Anschaffung liegen die Elektromobile also wesentlich höher als vergleichbare Benziner oder Diesel. Nach oben sind natürlich (siehe Tesla) auch keine Grenzen gesetzt. Insofern muss man sich dann schon fragen, ob dieser Gesetzentwurf neben der Förderung der Gewinne der Autoindustrie nicht auch eine Maßnahme für ›Gutbetuchte‹ ist.

Offenbar hat die Bundesregierung nach wie vor kein schlüssiges Gesamtkonzept, wie man auf Dauer die Elektromobilität sinnvoll fördern kann. Dies zeigt sich bei jedem Vorschlag erneut. Dabei liegen die Ansatzpunkte doch auf der Hand. Grundproblem bei den reinen Elektrofahrzeugen ist die extrem begrenzte Reichweite, die sich auf Grund der Batteriekapazität ergibt. Doch genau an diesem Punkt versagt die Bundesregierung.

Dabei wäre es sehr einfach, denn beispielsweise die PIRATEN haben entsprechende Vorschläge in ihrem Programm:

»Förderung alternativer Antriebskonzepte
Verbrennungsmotoren auf Basis fossiler Brennstoffe haben langfristig keine Perspektive. Alternative Antriebskonzepte wie Elektromobilität oder Brennstoffzellenantriebe müssen gefördert werden. Wir setzen uns für die gezielte Förderung von Forschungsvorhaben und Pilotprojekten zur Förderung innovativer Antriebstechnologien ein. Dies kann durch die Bereitstellung von Geldern zur Forschung und durch die Förderung notwendiger Infrastruktur (beispielsweise Induktionsladestationen für Elektrofahrzeuge) geschehen.
«

Gleichzeitig muss auch darauf geachtet werden, dass neben der Förderung der Elektromobilität der ÖPNV weiterhin im Fokus der Weiterentwicklung, Optimierung und Förderung bleibt. Auch dazu haben die PIRATEN, neben dem fahrscheinlosen Nahverkehr, entsprechende programmatische Ansätze:

»Förderung des ÖPNV
Wir setzen uns für einen stärkeren Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs in Sachsen ein. Die innerstädtischen Angebote sollen bedarfsgerecht erweitert und mit den Angeboten der umliegenden Regionen abgestimmt werden. Die Regionen benötigen ein dichteres ÖPNV-Netz mit attraktiven Takten. Strukturschwache Regionen müssen, wenn eine reguläre Versorgung mit taktbasiertem ÖPNV nicht möglich ist, mit alternativen Verkehrskonzepten an die Mittel- und Oberzentren angebunden werden. Solche alternativen Konzepte können Bürgerbusinitiativen oder Anruflinientaxis sein. Wir fordern eine stärkere Verzahnung verschiedener Verkehrsträger (Intermodalität). Dies kann beispielsweise durch mehr Park&Ride-Angebote, durch eine Ausweitung von Car Sharing-Angeboten und durch die Vereinfachung des Fahrradtransports im öffentlichen Personennahverkehr realisiert werden.
«

Fazit:

Wenn die Bundesregierung die Elektromobilität sinnvoll fördern will, dann sollte wesentlich mehr als bisher in die Grundlagenforschung investiert werden. Batterien – das Herzstück reiner Elektroautos – müssen schnellstmöglich leistungsstärker und vor allem auch preiswerter werden. Nur dann wird auch das Elektroauto als massentaugliches Verkehrsmittel für alle Einkommensschichten eine Zukunft haben.

Beitrag der Bundeswebsite


Kommentare

6 Kommentare zu Elektromobilität – Konkurrenz für den ÖPNV: aber nur auf der Busspur

  1. Die Reichweite von Elektroautos wird sich nie soweit steigern lassen, dass sie unseren zumindest gefühlten Bedürfnis nach fehlenden Einschränkungen beim Fahren nachkommt.

    Toyota hat das erkannt und sich vor einigen Jahren umorientiert nachdem sie im Bereich Elektromobilität Marktführer waren und bis heute sind. Ab nächstem Jahr wird es die ersten Wasserstoffautos in Serienreife geben ( http://m.spiegel.de/auto/aktuell/a-977331.html#spRedirectedFrom=www&referrrer= ). Deren Reichweite, Tankvorgang und Lebensdauer (Akkus halten selten länger als 5-10 Jahre) kommt unseren Gewohnheiten und Ansprüchen eben am nächsten. Zudem ist dieser Energiespeicher im Gegensatz zu Batterien auch für Lastwagen, Züge, Schiffe und Flugzeuge skalierbar.
    Zudem lässt sich Wasserstoff hervorragend zur Kompensation von Kapazitätsspitzen durch Solar- und Windkraftanlagen nutzen. Der so gewonnene Strom kann dann leicht getankt oder in schwächeren Zeiten zurück ins Netz gespeist werden. Wer sehen will, wie das geht muss nur in die Hamburger HafenCity.

    Toyota hat die Zeichen des Zeit mal wieder erkannt, während die deutschen Autohersteller irgendwelche hippen Trends für Gutbetuchte abgreifen wollen. Dafür sollen Sie noch von der Politik gefördert werden?

    Was wir brauchen ist eine vernünftige Infrastruktur für Wasserstofftankstellen.

  2. André schrieb am

    Leider wurden die Nachteile verschwiegen. Wasserstoff verflüchtigt sich leider von selbst. Dass difundiert durch den Tank hindurch.
    Nun wohne ich aber zum Beispiel in Berlin und nutze fast nur die öffentlichen Verkehrsmittel. Wenn ich dann also mal einen Ausflug machen möchte ist der Tank vermutlich leer.

  3. Michael Bluhm schrieb am

    1. Das ÖPNV Konzept der Länder, Städte und Gemeinden ist noch sehr ausbaufähig. Hier liegen wir als Piraten richtig.
    2. Wasserstoff hat in Hamburg schon seine Abschiedsrunde im ÖPNV gefeiert. Hier wurde die erste H- Tankstelle eines Busbetriebshofes nach 5 Jahren abgebaut, weil sie zu störanfällig war. Der einzige Alsterdampfer mit H steht still, weil die Tankstelle an der Alster nicht mehr existiert und die Lieferung mit Linde zu teuer ist. H zu speichern ist ebenfalls extrem teuer. Also keine Option für die Zukunft!
    3. Induktive Energieübertragung wird zukünftig die Variante sein, mit der man auch Straßenparker mit Energie versorgen kann. Konzepte und echte Referenzstrecken liegen in Planung und Realität bereits vor.

    Und jetzt etwas grundsätzliches:

    Solange der Mensch nicht begreift, dass er umdenken muss und es von A nach B nicht darum geht im Tiefflug über die Straßen zu rasen, sondern schneller als ein Fußgänger ans Ziel zu kommen, wird sich an den Fahrzeugkonzepten nichts ändern. Auch in Zukunft wird sich nicht jeder einen PKW zulegen. Die es sich dann gönnen, werden mehr darüber nachdenken müssen, ob es sich auf das Jahr rechnet. Ich stimme den Ausführungen oben zu, dass die Verknüpfung von ÖPNV und individueller Beförderungsmöglichkeit in Ballungsgebieten eine gute Perspektive hat. Wer heute noch meint mit einem Boliden protzen zu müssen und Energie vergeuden will, der sollte entsprechend für den Mehrverbrauch zur Kasse gebeten werden, was ja bekanntlich schon geschieht. Der Zugang zu E- Fahrzeugen innerhalb der Ballungsgebiete lässt sich auf privatwirtschaftlicher und kommunalwirtschaftlicher Ebene gut organisieren und erheblich verbessern. Hier wären nicht die Subventionen für Hersteller oder Vergünstigungen für den Endverbraucher notwendig, sondern eine Zulassungsregelung für PKW z.B. bei Taxen oder innerstädtischen Carsharingsystemen erforderlich (z.B. Car2go9), die es Verbrennerfahrzeugen in diesen Kategorien erschwert am Markt Zugang zu bekommen.

    Es wäre schön, wenn wir in Hamburg als Piraten das mal deutlich aussprechen und in den Wahlkampf tragen.

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