Bad Aibling – DEMO

Foto @sekor

Piraten dominieren Demonstration in Bad Aibling

Gastbeitrag von Olaf Konstantin Krueger erschienen bei der Flaschenpost

"Stop Watching Us"-Demonstration 2014 in Bad Aibling, Marienplatz: PIRATEN-Fahnen dominieren. CC-BY-SA 3.0 Olaf Konstantin Krueger

“Stop Watching Us”-Demonstration 2014 in Bad Aibling, Marienplatz: PIRATEN-Fahnen dominieren. CC-BY-SA 3.0 Olaf Konstantin Krueger„

Fühlt man sich wirklich wohl bei der ganzen Überwachung“, fragt Nicole Britz mit Blick auf die Abhöranlagen des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bad Aibling. Die Landesvorsitzende der bayerischen PIRATEN holt in ihrer Ansprache weiter aus: „Früher hieß es: ‚Das geht keinen etwas an!’. Heute heißt es: ‚Ich habe nichts zu verbergen!’ Diese Leute, die nichts zu verbergen haben – haben die etwa kein eigenes Leben, keine Gardinen am Fenster, kein Schloss an der Wohnungstür?“ Britz verdeutlicht die Konsequenzen der Massenüberwachung mit Beispielen aus dem Leben und trifft damit den Nerv der Demonstranten. „Merkt Ihr, wie uns Überwachung die Luft zum Atmen abdrückt?“

Rund 300 Demonstranten protestieren an diesem sonnigen und heißen Nachmittag in Bad Aibling gegen geheimdienstliche Massenüberwachung. Der Demonstrationszug hält drei Kundgebungen ab: auf dem Marienplatz, am Eingang der Mangfall-Kaserne in Mietraching und im Sportpark, einem ehemaligen Kasernengelände. Dieses Gelände bietet freie Sicht auf die weißen Radome: runde Schutzhüllen für die haushohen Parabol-Antennen, die wie überdimensionale Golfbälle aussehen. In Bad Aibling soll der BND als deutscher Auslandsnachrichtendienst mit 13 verdeckten Antennen Satellitensignale aus aller Welt abfangen.

"Stop Watching Us"-Demonstration 2014 in Bad Aibling, Mangfall-Kaserne: @Scaramouche1989 (l.) und @Taxxizz zeigen PIRATEN-Flagge. CC-BY-SA 3.0 Olaf Konstantin Krueger

“Stop Watching Us”-Demonstration 2014 in Bad Aibling, Mangfall-Kaserne: @Scaramouche1989 (l.) und @Taxxizz zeigen PIRATEN-Flagge. CC-BY-SA 3.0 Olaf Konstantin Krueger

Während der BND im Auftrag der Bundesregierung die wirtschaftliche, politische und militärische Auslandsaufklärung bündelt, sollen in Bad Aibling noch Abhörspezialisten der National Security Agency (NSA) arbeiten, dem größten Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten. Die NSA ist für die weltweite Überwachung, Entschlüsselung und Auswertung elektronischer Kommunikation zuständig, in Deutschland bis 2013 für Wirtschaftsspionage und die Überwachung politischer Führungspersonen. Seit Jahren schon sollen BND und NSA mit Wissen der Bundesregierung Informationen teilen. Für Michael Poschmann, Initiator der Demonstration, ist die Abhörstation in Bad Aibling sogar eine der wichtigsten Zentralen der Zusammenarbeit.

Der hiesige Protestzug gehört zu einer ganzen Reihe von Demonstration, die zeitgleich in Berlin, Griesheim, Hannover, Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und Witten stattfinden. Alle stehen unter dem Motto “Stop Watching Us”, veranstaltet von der gleichnamigen Initiative. Diese verbindet lose und dezentral verschiedene Initiativen und Parteien, die sich gegen die Überwachung der Gesellschaft wenden. Gemeinsam fordern sie von der Bundesregierung unter anderem eine lückenlose Aufklärung und eine juristische Aufarbeitung der NSA-Affäre. Auch in Bad Aibling ist die Demonstration von einem breiten Bündnis organisiert, das von der Piratenpartei und Bündnis 90/DIE GRÜNEN über ÖDP, SPD und die Partei DIE LINKE bis hin zu Attac Rosenheim reicht. Der Protestzug sieht allerdings aus wie einer der Piratenpartei: Nicht nur hat Stefan Körner, Bundesvorsitzender der Piratenpartei, die eigenen Reihen verstärkt – die PIRATEN haben als einzige einen guten Schwung an orangefarbenen Fahnen mitgebracht und zugleich „Asyl für Edward Snowden“-Aufkleber an alle verteilt.

Snowden ist längst zum Symbol geworden. Angestoßen durch den Whistleblower und ehemaligen US-Agenten wächst in Deutschland seit der Aufdeckung der globalen Überwachungs- und Spionagetätigkeiten die Kritik an maß- und anlasslosen Abhörmaßnahmen. Der Vorwurf: Indem eine parlamentarische und richterliche Kontrolle des Abhörens praktisch nicht stattfinde, werden elementare Grundrechte verletzt. Die Forderung an die Bundesregierung lautet daher: lückenlose Aufklärung und juristische Aufarbeitung der Vorgänge sowie eine Gesetzesreform, die die Grundrechte der Bürger vor inländischen und ausländischen Diensten schützt.

„Wir sind heute hier, um einen Aufschrei los zu lassen“, erklärt denn auch Claudia Stamm in ihrer Ansprache und verlangt, „alles rund um die NSA-Affäre klar und deutlich den USA gegenüber zu benennen“. Die bayerische Landtagsabgeordnete beklagt, die Bundesregierungen verschleppten die Aufklärung des Geheimdienstskandals. Die GRÜNEN setzten sich deshalb für eine umfassende Aufklärung der Vorgänge ein und forderten für den in Russland befindlichen Snowden Asyl in Deutschland. Stamm betont, „das hat nichts mit Antiamerikanismus zu tun“.

„Bespitzelung ist das, was wir alle nicht wollen“, unterstreicht die SPD-Politikerin und Rechtsanwältin Adelheid Rupp in ihrer Rede. Sie sieht nicht nur einen „NSA-Skandal“, sondern ebenfalls einen „ganz massiven BND-Skandal und damit einen Skandal dieser Bundesregierung und des Bundestags, die unfähig sind, diesem Verhalten Einhalt zu gebieten“. Gleichlautend äußert sich Florian Ritter, Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für Datenschutz und Netzpolitik. Mit Blick auf die „Schnüffeleien“ der NSA verlangt Ritter, „Verstrickungen“, „Mitwisserschaft“ und „Mittäterschaft“ des BND zu untersuchen. Konsequenzen und Gesetzesänderungen müssten folgen.

"Stop Watching Us"-Demonstration 2014 in Bad Aibling, ehemaliges Kasernengelände: Katharina Nocun von "campact" warnt vor einer "Gesinnungspolizei". CC-BY-SA 3.0 Olaf Konstantin Krueger

“Stop Watching Us”-Demonstration 2014 in Bad Aibling, ehemaliges Kasernengelände: Katharina Nocun von “campact” warnt vor einer “Gesinnungspolizei”. CC-BY-SA 3.0 Olaf Konstantin Krueger

Katharina Nocun, ehemalige Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland und heutige Campaignerin bei “campact” mit den Schwerpunkten Bürgerrechte, Mitbestimmung und Netzpolitik, verwahrte sich scharfzüngig gegen die anstehende Überwachung Sozialer Netzwerke: „Das ist nicht nur dreist, das ist obszön.“ Eine Regierung, die 80 Millionen Bundesbürger als potenzielle Gefährdung einstufte und „Gesinnungsdatenbanken“ förderte, wünscht sich Nocun abgewählt.

Vor den Radomen warnt Britz am Ende der Kundgebungen, sich an zunehmende Überwachung zu gewöhnen: „Vielleicht werden Sie eines Morgens aufwachen und feststellen, dass es zu spät ist, denn Freiheit stirbt in kleinen Stücken.“

Beitrag Bayerischer Rundfunk

Kabarett-Einlage Isarschiffer

Rede von @kattascha und @dyfustic


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