Verschwörungstheorien statt Antworten

Gastbeitrag von Jürgen Stock erschienen bei der Flaschenpost

Verschwörungstheorien statt Antworten – So lautet der Titel eines Beitrages in SPIEGEL ONLINE. Aber es ist nicht nur die russische Regierung, die an Verschwörungstheorien strickt.

Was wissen wir denn wirklich? Nur dass eine Boeing 777-200ER der Malaysia Airlines über der Ost-Ukraine ca. 50 bis 60 Kilometer von der russischen Grenze entfernt abgestürzt ist und dabei 298 Menschen den Tod gefunden haben. Alles andere ist Spekulation. Sollten amerikanische Geheimdienste tatsächlich Beweise dafür haben, dass das Flugzeug abgeschossen worden ist, dann sollen sie sie öffentlich vorlegen. Das tun sie aber bislang nicht.

Es gibt die Black Boxes und es gibt das Trümmerfeld, korrumpiert, weil nicht sachverständige Leute es betreten haben. Man kann aus den Daten der Flugschreiber und der Rekonstruktion der Maschine aus den Trümmerteilen manchmal die Ursache der Katastrophe genau ermitteln. So zum Beispiel beim Flug TWA800. Damals gab es Augenzeugen für einen Abschuss. Tatsächlich aber war der Haupttank der Boeing 747 (Jumbojet) explodiert..

Aber alle Welt geht davon aus, dass dieses Flugzeug mit der Flugnummer MH17 auf dem Wege von Amsterdam nach Kuala Lumpur abgeschossen worden ist. Nur zur Erinnerung: Im März dieses Jahres ist eine Maschine genau gleichen Typs derselben Airline verloren gegangen (wir haben darüber berichtet). Sind aus irgendwelchen Gründen die Maschinen, die Boeing an Malaysia Airlines ausgeliefert hat, mangelhaft? Oder kann Malaysia Airlines mit der Triple Seven nicht korrekt umgehen? Ich will nichts unterstellen, aber auch das sind Denkmöglichkeiten.

Aber darum geht es den Akteuren auf dem internationalen Parkett gar nicht. Es geht um Schuldzuweisungen, weil der Konflikt in der Ost-Ukraine endgültig außer Kontrolle zu geraten scheint. Um das zu verhindern, klammert man sich an ein Ereignis. „Ihr habt ein unschuldiges Flugzeug abgeschossen! Jetzt muss ein Waffenstillstand her! Damit so etwas nicht wieder passiert!“, schreien sie.

Die Aufklärung eines schwerwiegenden Flugunfalles dauert in der Regel ein Jahr oder länger. Warten wollen die politischen Akteure nicht, denn dann würde ihr Versagen, Frieden im Ukraine-Konflikt herbeizuführen, nur allzu offensichtlich.

Allerdings gibt es in der Politik manchmal auch Einsichten. So, wenn Russland sagt, es werde nicht einseitig die Black Boxes auswerten, sondern man wolle dies nur in internationaler Zusammenarbeit tun.

Wenn ich Christopher Clark („Die Schlafwandler“) richtig verstehe, ist 1914 die Kriegsschuldfrage bereits diskutiert worden, bevor der Krieg tatsächlich ausgebrochen war. Es war den damaligen Akteuren bereits klar, dass der Doppelmord in Sarajevo nur ein Anlass sein würde, die Ursachen eines möglichen Krieges aber woanders lagen, ja längst angelegt waren. Nur verhindern wollte niemand den Krieg.

Kommen wir einem großen Krieg jetzt näher? Nein, das glaube ich nicht. Die Welt im Jahre 2014 gleicht in entscheidenden Hinsichten nicht dem Europa von 1914. Ist aber die internationale Politik heute klüger als damals? Daran habe ich Zweifel. Das ist ein guter Grund, Politik anders zu machen als die Etablierten. Und Journalismus anders zu machen als die Medien, die in den Abendnachrichten so tun, als sei bestätigt, dass MH17 abgeschossen worden sei. Genau das ist es aber nach heutigem Kenntnisstand nicht. Auch wenn es menschlich und psychologisch verständlich ist, dass Ereignisse zum Anlass für Handlungen genommen werden, verantwortliche, nachhaltige Politik ist etwas anderes.


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Jürgen Stock

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Mein Politikverständnis ist, die Schwachen vor den Mächtigen zu schützen. Denn die Mächtigen nehmen sich, was immer sie wollen. Politik ist für mich auch ein Stück Daseinsfürsorge, denn unsere Kinder zum Beispiel können in vielen Belangen noch nicht für sich sprechen. Wir sind für ihre Zukunft, für ihr Wohlergehen verantwortlich. Darum engagiere ich in der Politik.